Das arabische Pferd, insbesondere der Vollblutaraber, hat seit Jahrzehnten ein schlechtes Image unter den Reitern anderer Rassen. Die Liebhaber dieser Rasse müssen häufig mit Unverständnis kämpfen und sich fragen lassen „Wann kaufst Du Dir endlich ein richtiges Pferd?“. Wobei es vollkommen gleichgültig ist, was „ein richtiges Pferd“ ist, das kann je nach Gesprächspartner ein Warmblut, ein Quarterhorse, ein Gangpferd oder auch ein Barock-Pferd sein.
Es gab Ende des 20. Jahrhunderts eine Hochphase der Vollblutaraber-Zucht. Deutschland war die 2.-größte Züchter-Nation weltweit nach den USA. Diese Zeiten sind lange vorbei, die Zahl der gezüchteten Pferde beträgt nur noch einen Bruchtteil früherer Zeiten.
Trotzdem ist es schwierig sowohl arabische Pferde zu kaufen als auch zu verkaufen. Zudem entwickelt sich die Zucht in immer extremere Richtungen und es wird immer schwieriger qualitätsvolle Vollblutaraber zu finden. Häufig wird bemängelt, dass „die guten Züchter“ aufgehört hätten und „nur die anderen“ weiter machen. Ich möchte die Problematik in diesem Beitrag aus meiner Sicht beleuchten.
Schönheit
Die Schönheit (ja, Schönheit liegt im Auge des Betrachters) ist Glanz und Elend des Vollblutarabers. Diese Pferde galten immer schon als „schön“ und wurden – neben den anderen Eigenschaften – dafür geliebt.
Was wir aber in den vergangenen Jahrzehnten beobachten müssen, ist die Tatsache, dass die Vollblutaraber immer „schöner“, d.h. immer extremer werden. Dies ist mit Sicherheit einem falschen Schönheits-Ideal geschuldet. Die Pferde werden immer „niedlicher“: Kopf klein und Augen groß – es gibt eine sichtbare Entwicklung in Richtung „Kindchen-Schema“, wie man dies auch bei einigen Hunderasse, wie z.B. dem Chihuahua sehen kann.
Gerüchten aus Tierarzt-Kreisen zufolge – ich habe darüber keine gesicherten Informationen! – gibt es bereits eine Entwicklung, dass bei einigen, sehr „typvollen“ Pferden die Zähne keinen Platz mehr im Kiefer haben und es entsprechende Probleme gibt. Ausserdem soll es Fälle von Atemproblemen geben – nicht weil der Dish die Atmung behindert (die Atemwege verlaufen nicht direkt unter dem Nasenknochen) – sondern weil die verknorpelten Strukturen im Rachenraum zu wenig Platz in den immer kleineren Köpfen finden. Beides – Zahnprobleme und Atemprobleme – kennen wir bereits von vielen überzüchteten Hunderasse, z.B. bei der aktuell extrem beliebten Französische Bulldogge und anderen. Ich finde diesen Trend erschreckend!
Auf der anderen Seite muss man aber auch anerkennen, dass auch andere Pferde-Rassen immer „schöner“ geworden sind. Wer über den Tellerrand schaut muss anerkennen, dass es heute Reitponies und Trakehner gibt, die deutlich edler aussehen als manch „altmodischer“ Vollblutaraber. Manchmal erkennt man nur an der kurzen Mähne, dass es sich offensichtlich nicht um einen Vollblutaraber handelt.
Es gibt derzeit ausserhalb der Zuchtbuchordnung keine Definition was „Schönheit“ ist und wo die Grenzen sind.
Leistung
Wie ich in meinem Artikel „Einsatz von Vollblutarabern“ bereits erläutert habe, hatten wir in Deutschland nie eine echte Leistungs-Zucht arabischer Vollblüter.
Auch sehe ich – wie in diesem Beitrag aufgeführt – in Deutschland keinen Markt für „echte“ Leistungspferde.
Charakter
Der Vollblutaraber ist ein sensibles, feinfühliges Pferd und besitzt einen ausgeprägten „will to please“ – es möchte seinem Besitzer bzw. Reiter gefallen und ist sehr kooperativ.
Aufgrund seiner Sensibilität eignen sich diese Pferde aber nicht unbedingt für jedermann, es braucht eine Person, die damit nicht nur umgehen kann sondern gerade diese Eigenschaft schätzt. Hat ein solches Pferd aber den richtigen Menschen, dann geht es für diesen auch ohne besondere Ausbildung durch Dick und Dünn.
Freizeitpferde
Die meisten Vollblutaraber in Deutschland dienen als sogenannte „Freizeitpferde“. Wie ich in meinem Beitrag „Nur ein Freizeitpferd?“ erläutert habe, muss ein solches Pferd eigentlich sehr viele Eigenschaften mitbringen.
Allerdings ist es so, dass viele der sog. Freizeitreiter zum Einen wenig über ein gutes Exterieur wissen bzw. wenig Wert darauf legen und zum Anderen häufig nur ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung haben. Sie arrangieren sich ganz einfach mit den Mängeln ihrer Pferde.
Der Pensions-Stall
Der Freizeit-Reiter steht mit seinem Freizeit-Pferd sehr häufig in einem Pensions-Stall. In meinen Augen wird das häufig übesehen, aber genau HIER entsteht in hohem Maße das Image des arabischen Pferdes.
Hat das arabische Freizeitpferd Mängel, dann werden die Stall-Kollegen diese Mängel gerne auf ALLE arabischen Pferde übertragen. Hat das Pferd PSSM-2? Kann das Pferd beim Ausritt im Schritt nicht mithalten und muss immer wieder auftraben? Hat das Pferd Kissing Spines oder ist aus anderen Gründen nicht oder nur bedingt reitbar? Harmoniert das Pferd nicht mit dem Besitzer bzw. Reiter und ist z.B. schreckhaft?
Egal welche „Probleme“ das arabische Freizeitpferd in einem Pensionsstall zeigt, es ist extrem schlechte Werbung für die Rasse als solches!
Ja, natürlich gibt es die aufgeführten Probleme auch bei allen anderen Rassen – nur gibt es bei den anderen Rassen erfolgreiche Sportpferde, die das Image relativieren. Die gibt es bei den arabischen Rassen nicht.
Der Züchter
In Bezug auf das Budget sind wir dann bei den Kosten, die Pferdezucht verursacht. Wie ich in meinem Beitrag „Was kostet ein Pferd?“ zusammengefasst habe, verursacht die Zucht und Aufzucht eines Pferdes hohe Kosten. Der Züchter muss versuchen, diese Kosten bei einem Verkauf des Pferdes wieder herein zu bekommen.
Sicherlich kann man die Zucht von Pferden als kostspieliges Hobby betreiben. Um dieses Hobby zu betreiben, muss der Züchter an anderer Stelle (viel) Geld verdienen, um sich dieses Hobby leisten zu können.
Realistisch betrachtet wird aber niemand langfristig qualitätsvolle Pferde züchten und vorallem aufziehen können, wenn die Einnahmen-Seite nicht entsprechend ausfällt.
Schließlich kostet schon der Start einer qualitätsvollen Zucht gutes Geld. Ein gutes, durchgezüchtetes(!) Pferd – gutes Exterieur, gute Bewegungen, guter Charakter, guter Rassetyp – kostet. Es kostet mehr, als ein 08/15-Freizeitpferd. Und nur mit einem solchen Pferd sollte man sinnvoller Weise eine Zucht beginnen.
Zucht bedeutet Verbesserung! Wenn keine Verbesserung der Eigenschaften der Eltern angestrebt wird, handelt es sich nicht um Zucht sondern um reine Vermehrung.
Die Zuchtverbände
Es wird von vielen Seiten gefordert, die Zuchtverbände müssten mehr für ihre Züchter und die Vermarktung der Pferde tun.
Wenn man aber darüber diskutiert, was ein Zuchtveband konkret tun könnte, herrscht allgemeine Ratlosigkeit.
Alle Versuche in der Vergangenheit, Veranstaltungen rund um arabische Pferde zu veranstalten, scheitern letztendlich daran, dass es zu wenige Teilnehmer gibt. „Alle“ fordern Veranstaltungen, wenn aber etwas geplant wird gibt es immer Gründe nicht zu kommen: zu weit weg, zu teuer, falscher Zeitpunkt, kein passendes Pferd. Die Gründe sind vielfältig.
Dazu kommt, dass die Organisation von Veranstaltungen – ich weiss, das Thema nervt – Geld kostet.
Ein weiteres Thema, über welches in Bezug auf die Zuchtverbands-Arbeit gerne kontrovers diskutiert wird, ist die Benotung von Pferden bei Hengsteintraung, Körung, Stuteneintragung und Stutenschauen.
Eigentlich sollte das ganz einfach sein: ein gutes Pferd ist ein gutes Pferd ist ein gutes Pferd.
Trotzdem gibt es massive Unterschiede in der Vorstellung dessen, was ein gutes Pferd ist.
Selbst Zucht-Richter sind sich diesbezüglich nicht einig. Steht der Typ über allem? Mit welchen Mängeln geht man wie um? Welche Noten werden wie vergeben? Im Rahmen meiner aktuell laufenden Zuchtrichter-Ausbildung habe ich hier interessante Diskussionen erlebt.
Viel gravierender finde ich aber – es tut mir leid, dies so zu formulieren – die krasse Unkenntnis vieler Züchter! Es werden deutliche Mängel im Körperbau oder in der Bewegung schlicht weg nicht erkannt oder negiert. Die Besitzer sind dann zutiefst beleidigt und stinksauer, weil ihre geliebte Stute nicht so bewertet wird, wie es erwartet wurde. Dann heisst es „die Richter haben doch keine Ahnung“.
Mein Eindruck ist, dass die Zuchtverbände viel mehr für die Ausbildung ihrer Züchter tun müssten, allerdings kann man niemanden zwingen, Beurteilungs-Seminare zu besuchen. Und auch der Besuch eines Beurteilungs-Seminares schützt nicht vor Stall-Blindheit.
Last but not least sind Zuchtverbände Dienstleister. Nur ein zufriedener Züchter wird Mitglied im Zuchtverband bleiben. Dadurch ergibt sich bei der Beurteilung von Zuchtpferden ein riesiger Widerspruch: einerseits müssen die Züchter zufrieden gestellt werden (d.h. die Pferde müssen möglichst gut benotet werden) auf der anderen Seite soll die Qualität der Zuchtpferde über Generationen verbessert werden, was bedeutet, dass die Zuchtrichter die Pferde streng benoten müssen.
Dieses Dilemma kann kein Zuchtverband lösen: entweder die Züchter werden über die Noten zufrieden gestellt, dann leidet mittel- bis langfristig die Qualität der gezüchteten Pferd. Oder nur wirklich qualitätsvolle Pferde erhalten eine gute Benotung, dann sind aber die Züchter frustriert, lästern über die Unfähigkeit der Richter und wechseln evtl. den Zuchtverband.
Nach Gelde drängt, am Gelde hängt doch alles
(frei nach Johann Wolfgang von Goethe: Nach Golde drängt, Am Golde hängt Doch alles)
Und hier sind wir dann beim Dilemma der Vollblutaraber-Zucht: es ist ausserhalb der Show-Szene für die allermeisten Züchter von Vollblutarabern vollkommen unmöglich, qualitätsvolle Pferd auch nur halbwegs kostendeckend zu züchten.
Wer ausserhalb der Show-Szene erfolgreich Vollblutaraber vermarkten kann, ist schon viele Jahre dabei und hat sich einen entsprechenden Namen aufgebaut. Häufig hängt an einer solchen Zucht noch ein landwirtschaftlicher Betrieb, ein Pensionsstall und/oder eine Reitschule „mit dran“. Diesen Züchtern gelingt es aufgrund ihres langjährig erarbeiteten Namens häufig, ihre Pferde schon jung zu verkaufen, so dass ihnen die langwierige, kostenintensive Aufzucht sowie das Anreiten erspart bliebt. Aber selbst bei solch scheinbar erfolgreichen Züchtern kann man beobachten, dass weniger Pferde gezüchtet werden als noch vor 10 oder 15 Jahren.
Es lohnt sich einfach nicht, für „Freizeit-Reiter-Preise“ Pferde zu züchten und aufzuziehen.
Fazit
Es ist ein Dilemma für welches es innerhalb der bekannten Strukturen keine Lösung geben kann.
Eine Chance sehe ich im privaten Engagement, als Beispiel möchte ich
- die GAWA – German Arabian Westernhorse Association (mit ihren Seminaren und Kursen für Westernreiter),
- die Friends of Arabian Sporthorses (welche das Europa-Championat für Sport-Araber in Wiener Neustadt organisieren)
- oder die Vollblutaraberfreunde Österreich (Veranstalter des Sommerfestivals in Stadl Paura)
anführen.
Auch der FSAT – Verein zur Förderung des Shagya-Arabers im Turniersport, welcher das Turnier „Arabische Sportpferde im Norden“ veranstaltet, ist ein positives Beispiel für privates Engagement (auch wenn es denen nicht um die Vollblutaraber geht).
Eine private Initiative, welche Lehrgänge, Weiterbildungen, Gestütsreisen und Veranstaltungen organisiert und koordiniert, könnte ein Ansatz für die Zukunft sein, um das arabische Pferd auf positive Weise in die Öffentlichkeit zu bringen. In solch einer Initiative müssten sich engagierte Züchter, Reiter und Liebhaber arabischer Pferde zusammen finden. Sie könnte eine weitere Ergänzung zu den vorhandenen Beispielen darstellen und mit diesen kooperieren.
Ich mache mir derzeit Gedanken, wie solch eine Initiative aussehen könnte. Wer ist mit dabei?