Immer wieder höre ich von reitenden Araber-Freunden: Schauen interessieren mich nicht, ich will sowieso nur reiten. Dabei übersieht der Araberfreund einen wesentlichen Punkt: Es gibt die Show, die sich im internationalen Umfeld als Selbstzweck und Daseinsberechtigung für einige arabische Pferde herausgebildet hat. Und es gibt die Zuchtschau, die notwendig ist, um Zuchtpferde qualitativ beurteilen zu können. Aus diesem Grund haben Zuchtschauen durchaus eine ganze Menge mit der Eignung als Reitpferde zu tun. Was ist der Unterschied? Das möchte ich auf dieser Seite gerne erläutern.
Gemeinsamkeiten
Der Ursprung der Show ist aus den Zuchtschauen entstanden. Daher gibt es überwiegend gleiche Beurteilungskriterien.
Diese sind:
1. Rasse- und Geschlechtstyp (Type)
2. Kopf und Hals (Head and Neck)
3. Körper und Oberlinie (Body and Topline)
4. Fundament (Legs)
5. Bewegungen (Movements)
Sowohl für Shows als auch für Zuchtschauen glauben viele bei oberflächlicher Betrachtung, dass die Höhe der Typ-Note nur vom “Dish” abhängen würde. Das ist für beide Veranstaltungen falsch! Es gibt sowohl bei Shows als auch bei Zuchtschauen hoch bewertete Pferde, die ein (fast) gerades Profil besitzen und kaum Dish haben.
Der Typ (genau: Rasse- und Geschlechts-Typ) hängt von der Ausstrahlung des Pferdes ab, von seiner Präsenz, von seinem insgesamt(!) arabischen Aussehen und Auftreten. Und natürlich auch von der Geschlechtsausstrahlung. Eine zwar sehr ansprechende, aber herbe, männlich wirkende Stute wird im Typ keine sehr hohen Noten bekommen können, weil die weibliche (bei einer erwachsenen Stute auch mütterliche) Ausstrahlung fehlt.
Das war’s dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Die Zuchtschau
Der Hintergedanke der Zuchtschau ist es, Pferde nach bestimmten Kriterien zu bewerten um den Züchtern eine Aussage mit zu geben, ob und in wie fern das vorgestellte Pferd zu einem Zuchtfortschritt beitragen kann. Diese Vorgehensweise hat sich bei den Warmblutzuchtverbänden seit Jahrzehnten bewährt und wurde entsprechend auch von den Araberzuchtverbänden übernommen.
Diese Veranstaltungen sind wichtig um möglichst objektiv die Qualitäten eines Pferdes in Bezug auf sein Exterieur zu beurteilen und so einerseits den Einsatz von qualitativ hochwertigen Pferden in der Zucht zu fördern und andererseits die züchterische Verwendung von “Krücken” zu reduzieren.
Tatsache ist, dass es bedauerlicherweise bei Zuchtschau-Veranstaltungen des VZAP in den Jahren nach 1990 eine Entwicklung hin in Richtung “Show” gegeben hat.
Diese Entwicklung wurde erfreulicherweise seit 2005 gestoppt und Zuchtschauen sind wieder das, was sie sein sollten: ein Event, der es dem Pferdebesitzer ermöglicht, sich eine möglichst objektive Beurteilung für sein Pferd ab zu holen.Folgende Zuchtschauen werden derzeit angeboten:
Hengsteintragung/-körung
Beide Araberzuchtverbände (VZAP und ZSAA) haben eine jährliche Veranstaltung, bei der Hengste beurteilt und benotet werden. Besonders gute Hengste können mit einem Prämientitel ausgezeichnet werden. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf dieser Seite unter dem Menü-Punkt “Körung”.
Prämienstutenschau
Eine Veranstaltung bei der Stuten ab dreijährig zur Beurteilung vorgestellt und benotet werden. Besonders gute Stuten können mit einem Prämientitel ausgezeichnet werden.
Prämienfohlenschau
wird i.d.R. im Rahmen einer zentralen Fohleneintragung durchgeführt. Die Fohlen werden bei Fuss der Mutter vorgestellt, besonders gute Fohlen können mit einer Fohlenprämie ausgezeichnet werden.
Beständeschau
Die Pferde werden in Altersklassen eingeteilt, vorgestellt und bewertet. Zum Abschluss werden Klassensieger und Gesamtsieger ermittelt. Prämien werden bei dieser Veranstaltung nicht vergeben. Die Termine für solche Veranstaltungen finden sich auf den Webseiten der beiden Zuchtverbände. Auf Basis des o.a. Bewertungsschema sind die Teilnoten für Zuchtschauen nochmals aufgesplittert. So wird z.B. das Fundament in Einzelnoten für Vorder- und Hinterbeine aufgeteilt, der Körper ebenfalls in Teilnoten unterteilt und die Bewegungen in die Teilkriterien Korrektheit, Schritt, Trab und Galopp zerlegt.
Welchen Wert hat sowas denn nun für einen Reiter?
Wenn man sich als Reiter ein neues Pferd sucht und man bekommt ein Fohlen aus einer Prämienstute und von einem gekörten Hengst angeboten, dann kann man daraus folgenden Rückschluss ziehen: die Eltern dieses Fohlens wurden vom Zuchtverband kritisch begutachtet und hoch benotet, weil die Richter sie in allen Kriterien als so wertvoll erachten, dass sie zu einem Zuchtfortschritt beitragen können. Das bedeutet, dass die Nachzucht aus einer solchen Anpaarung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ebenfalls korrekt auf den Beinen steht, einen tragfähigen Rücken, eine gut angelegte Schulter, raumgreifende Bewegungen etc. pp. haben wird.
Wenn man aber als Reiter ein neues Pferd sucht und man bekommt ein Fohlen angeboten, dessen Eltern “hof-eingetragen” wurden und von denen es keinerlei Noten oder Beurteilungen gibt, dann kann man über die Qualität der Eltern genau NULL Rückschlüsse ziehen. Es können ganz tolle Eltern sein, die sich auch gut vererbt haben und der Besitzer war nur zu bequem, diese mal öffentlich vorzustellen. Es können aber auch “Krücken” sein, die in der Zucht nix verloren haben. Als potentieller Käufer weiss man das ganz einfach nicht.
Man muss also selber viel Erfahrung haben, sich auskennen und u.U. ein paar Kilometer “für nix” fahren.
Achtung: auch bei einer Hofeintragung werden Zuchtstuten bewertet. Diese Noten entbehren aber in aller Regel jeglicher Vergleichbarkeit. Sie können schlecht oder auch sehr gut ausfallen, sie sind nach meinen Erfahrungen aber das Papier nicht wert auf dem sie stehen und ihre Aussagekraft tendiert gegen Null. Ich habe es selbe erlebt, dass solche “Noten” auf einer Prämienstuten-/Bestände-Schau auf einmal in allen(!) Kriterien volle zwei Punkte niedriger ausgefallen sind!
Natürlich gibt es keine Garantie. Die gibt es nie. Auch Richter sind nur Menschen und Menschen machen auch mal Fehler.
Aber die Bewertung von Zuchtpferden von vorn herein in Bausch und Bogen als “überflüssig” zu verurteilen hilft nicht dabei, ein gutes Pferd zu züchten oder zu finden. Und ganz klar ist auch: es gibt natürlich keine Garantie, dass Fohlen von prämierten Eltern automatisch “gut” sind. Ebenso gibt es natürlich auch ganz tolle Fohlen von Eltern, die schlecht bewertet wurden. Aber die Wahrscheinlichkeit ein gutes Pferd zu finden steigt definitiv, wenn die Eltern gut benotet wurden.
Die Show
Das Show-(Un-)Wesen hat sich im Laufe vieler Jahre aus den ursprünglichen Zuchtschauen entwickelt, sich aber sehr schnell sehr weit von der Basis entfernt. Sieger auf einer Show kann nur ein Pferd werden, welches “showy” ist, sich präsentiert, auf Knopfdruck aufdreht und genauso schnell wieder runter kommt.
Darüber hinaus spielt der Name des Züchters, Besitzers und Trainers leider eine massgebliche Rolle. Das ganze System hat sich in einem Maße verselbstständigt, die eine “normaler” Pferdemensch nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen kann. Trotzdem nehmen eine ganze Reihe von Pferdebesitzern bzw. -züchtern daran teil, weil es die einzige Möglichkeit ist, in der heutigen Zeit noch andeutungsweise vernünftige Preise für Vollblutaraber zu erzielen.
Kritik – Vorurteile:
Tierquälerei
Shows werde von vielen Menschen als tierquälerisch hingestellt und es ist bedauerlich aber wahr, dass einige Trainingsställe anscheinend Methoden anwenden, die definitiv tierschutzrelevant sind.
Viele Show-Trainer leben von dem Job. (Erschreckend) viele Pferdebesitzer haben keine Ahnung (oder es ist ihnen egal) und bringen ein vollkommen unerzogenes, wildes Pferd in schlechtem Futterzustand zum Trainer und erwarten, dass dieser innerhalb weniger Wochen dieses Pferd in einen Champion verwandelt. Dass dieses mit pferdefreundlichen Methoden nicht funktionieren kann, sollte jedem Besitzer klar sein.
Trotzdem halte ich es für falsch, pauschal alle Schow-Trainer als Tierquäler darzustellen. Es gibt nämlich Trainer, die echte Horse-(Wo)Men sind und hervorragend mit den ihnen anvertrauten Pferden umgehen. Aber dafür muss man die Augen auf machen, sich erkundigen, umsehen und seine Rückschlüsse ziehen.
Die Shows selber sind Stress. Der Rummel ist groß, die Musik ist laut. Es wird geklappert und geraschelt, was das Zeug hält. Sicherlich kann/muss sich der Besucher fragen, ob das alles so sein muss. Trotzdem muss man feststellen, dass die meisten Pferde diesen Stress problemlos wegstecken.
Showpferde sind durchgeknallt
Grundsätzlich gilt, dass erfolgreiche Showpferde einen einwandfreien Charakter und Nerven wie Drahtseile haben (müssen), sonst halten sie den ganzen Stress nämlich nicht aus. Ich persönlich habe Pferde gekauft und gezüchtet, die im Showtraining waren und trotzdem coole und gelassene Reitpferde wurden, auf die ich auch ohne Bedenken meine Kinder gesetzt habe. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass Pferde, die über keine (angeborenen) guten Nerven verfügen und die dann von einem ehrgeizigen Besitzer zu einem Trainer mit fraglichen Methoden gebracht werden, anschliessend so verstört sind, dass sie tatsächlich zu nichts mehr zu gebrauchen sind. Allerdings kenne ich persönlich (zum Glück) kein solches Pferd, ich habe aber leider von einigen gehört. Wesentlicher Aspekt ist auch hier wieder der Besitzer, der sein Pferd kennen sollte. Ein sensibles Pferd mit empfindlichem Nervenkostüm gehört nicht auf eine Show, es hält den Stress einfach nicht aus.
Showpferde haben krumme Beine und/oder einen schlechten Rücken
Wie ich oben schon geschrieben habe, ist das Wichtigste für ein erfolgreiches Show-Pferd, dass es “showy” ist. Wenn dann noch Besitzer und Trainer die “Richtigen” sind, dann kann es schon passieren, dass die Richter über eine schlechtes Fundament und/oder Oberlinie wohlwollend hinweg sehen. Korrektheit in Körper und Fundament ist für ein Show-Pferd kein Selektions-Merkmal.
Ich persönlich sehe aber ein größeres Problem darin, dass es bei Pferden, die seit Generationen auf “Show” selektiert wurden, eher eine (ebenfalls problematische) Tendenz hin zu zu dünnen Beinen gibt – das Fundament wird immer feiner, die Hufe kleiner uns somit weniger belastungsfähig.
In Bezug auf die gerade Oberlinie und vor allem die gerade Kruppe muss gesagt werden, dass diese im Wesentlichen durch die gestreckte Aufstellung so gerade aussieht. Viele Show-Pferde haben, wenn sie “normal” stehen, eine ganz normale Oberlinie.
Es geht ja nur um Geld
Ja, meistens. Oder um Erfolg – Werbung – Renommee. Was auch immer. Wie ich oben schon schrieb, ist es der einzige Weg in der heutigen Zeit eventuell vielleicht unter Umständen einen kostendeckenden Preis für ein Verkaufspferd zu erhalten, indem es auf (internationalen) Shows erfolgreich läuft. Oder das Pferd macht eben Werbung für die eigene Zucht.
Show-Pferde werden nicht geritten
Stimmt erschreckend häufig. Warum auch? Sie haben ihre Daseinsberechtigung aufgrund ihrer Show-Erfolge, ob sie geritten werden oder nicht, spielt für ihren (Markt-) Wert keine Rolle. Es gibt aber Trainingsställe, in denen die erwachsenen Show-Pferde regelmässig – als Bestandteil des Trainings – geritten werden.
Show-Pferde kann man nicht reiten
Doch, natürlich kann man Show-Pferde reiten. Die Frage danach ist genauso zu beantworten, wie ob man mit einem Dressurpferd springen kann oder mit einem Springpferd Dressur reiten kann. Viele Show-Pferde, die nicht super-erfolgreich im Show-Ring sind, geben nach Ende ihrer Show-Karriere schöne, vielseitig einsetzbare Reitpferde ab, weil sie sehr gute Nerven haben, eine gute Erziehung genossen haben, menschenbezogen und freundlich sind. Allerdings ist nicht zu erwarten – auch wenn es nicht ausgeschlossen ist – dass ein Show-Pferd ein hocherfolgreiches Distanz-, Spring- oder Dressur-Pferd wird. Dafür wurde es nicht gezüchtet.
Fazit
Als Züchter arabischer Vollblüter sehe ich die Zuchtschau als Notwendigkeit und besuche solche Veranstaltungen auch regelmässig mit meinen Pferden. Shows besuche ich gelegentlich mit ausgesuchten Pferden, die ich von einer Trainerin meines Vertrauens ausbilden und vorstellen lasse. Ich sehe das ganze System aber durchaus kritisch und bestimmt nicht durch die rosarote Brille.