Eigentlich geht es mir hier weniger um den Araber als vielmehr um die Hengsthaltung als solches.
Bei den Vollblutarabern gilt aber, ebenso wie bei manchen anderen Rassen (z.B. den Spaniern) der Hengst als der Wunschtraum speziell von Frauen und (teilweise sehr jungen) Mädchen. Ich habe keine Ahnung, woher dieser Wunsch kommt, da ich selbst nie davon geträumt habe.
Ich selber habe und hatte Hengste in verschiedenen Altersklassen, aber immer nur unter dem Aspekt der Zucht.
Die Haltung von Hengsten
Ein ausgewachsener Hengst ist in der Regel unverträglich mit anderen Hengsten und Wallachen. Ausgewachsen ist ein Hengst (bzw. ein Pferd grundsätzlich) frühestens mit 7 Jahren. Auch wenn Hengste schon mit 2 oder 3 Jahren decken können, sind sie noch lange nicht ausgewachsen oder fertig entwickelt (Anmerkung: auch 13-jährige Menschen sind in der Lage Kinder zu zeugen oder zu bekommen, erwachsen sind sie deshalb noch lange nicht). Gerade mental entwickelt sich ein Hengst oft noch sehr lange weiter.
Es gibt viele Hengste, die 3-, 4- oder auch 5-jährig noch mit Artgenossen in der Herde verträglich sind. Aber irgendwann kippt die Situation, einer entwickelt ein erhöhtes Agressionspotential und wird die anderen verjagen. Da dies auf unseren begrenzten Weiden nicht unbegrenzt möglich ist, wird es bei solchen Auseinandersetzungen früher oder später erhebliche Verletzungen geben. Auch tote Pferde sind möglich!
Bevor jetzt ein Aufschrei erfolgt: ja, es gibt Hengste, die bis in’s hohe Alter sozial verträglich bleiben und harmonisch mit anderen Hengsten und/oder Wallachen zusammenleben. Das ist aber nicht die Regel sondern die Ausnahme! Der Versuch, ob der eigene Hengst zu diesen Ausnahmen gehört, kann unter Umständen erhebliche Tierarztkosten bis hin zum Tod eines Pferdes nach sich ziehen!
Von daher ist die sicherste Haltung für einen Hengst in Sichtkontakt zu anderen Pferden, aber getrennt durch einen stabilen Zaun.
Ich selbst hatte einen Hengst, der im Winter jeweils für 3 oder 4 Monate mit einem Wallach zusammen laufen konnte. Sobald es im Frühjahr wärmer wurde, wurden die „Hengstspiele“ agressiver und ich musste sie aus Sicherheitsgründen trennen.
Zudem sind Hengste noch mehr als andere Pferde Gewohnheitstiere. Sie reagieren sensibel auf jegliche Änderung in ihrem Umfeld, z.B. Wechsel im Pferdebestand eines Stalles oder Änderungen im Tagesablauf.
Daher sind Hengste gerade in Bezug auf den ersten Punkt in einem Pensionsstall in der Regel nicht gut aufgehoben. Auf solche Änderungen reagieren sie häufig durch ständiges hin und her laufen, sowie verringerte Futteraufnahme und dadurch bedingten Gewichtsverlust.
Wenn der Hengst also zu dünn ist oder schlecht frisst nützt es nichts, die Kraftfuttermenge zu erhöhen, sondern man muss versuchen, die Haltung dahingehend zu optimieren, dass der Hengst zur Ruhe kommt und sein Raufutter frisst.
Der Umgang mit Hengsten
Grundsätzlich ist ein Hengst erst mal ein Pferd und sollte genauso behandelt werden. Allerdings habe (nicht nur) ich die Erfahrung gemacht, dass Hengste sehr viel „diskussionsfreudiger“ sind als Wallache oder Stuten. Sie fragen also immer wieder und permanent nach, ob die Rangordnung noch gilt, oder ob sie sich in der Hierarchie nach „oben arbeiten“ können.
Als Besitzer muss man also ständig bereit sein, diese Diskussionen zu führen und sich als Führungspersönlichkeit zu behaupten. Dabei ist zu beachten, dass jegliche Härte oder Ungerechtigkeit zu unterbleiben hat. Ein Hengst braucht Konsequenz! Man kann trotzdem sehr liebevoll mit ihm umgehen, aber er muss lernen, wo seine Grenzen sind. Wie gesagt muss der Besitzer dabei unbedingt fair bleiben!
Eine Freundschaft oder ein Vertrauensverhältnis wie zu einem Wallach oder einer Stute aufzubauen, ist beim Hengst zwar nicht unmöglich, aber es dauert deutlich länger und man muss sich darauf einstellen, immer eine gewisse Achtung vor dem Hengst zu haben.
Warum überhaupt einen Hengst?
Hengste haben in der Regel eine starke Persönlichkeit und das kann im Umgang mit ihnen einen starken Reiz ausmachen. Wenn man sich mit solch einem Tier eine Partnerschaft erarbeitet hat, „das hat was“.
Andererseits zahlt der Hengst dafür in der Regel einen hohen Preis: er muss sein Leben lang mehr oder weniger ohne den Kontakt zu Artgenossen auskommen.
Darüber hinaus gibt es häufig Probleme bei der Unterbringung. Nur wenige Pensionsställe nehmen überhaupt Hengste, und wenn sie es tun, dann ist eine halbwegs artgerechte Haltung mit regelmäßigem Weidegang und/oder Freilauf nicht möglich. Auch haben viele Stallbesitzer bzw. deren Personal Probleme mit dem Umgang mit Hengsten, sie sind einem Hengst nicht gewachsen und werden dann ungerecht und brutal.
Ebenfalls kann es Probleme mit anderen Einstellern geben, die einfach Angst vor dem „gefährlichen Hengst“ haben. Nicht jeder hat einen eigenen Hof und die nötigen Mittel um die baulichen Maßnahmen zu ergreifen (sichere Zäune!!!) und einen Hengst selber vernünftig zu halten.
Also doch kastrieren lassen?
Ich bin ein großer Befürworter der Kastration von Hengsten, da man ihnen nur so ein artgerechtes Leben langfristig ermöglichen kann.
Für mich ist der Zuchteinsatz die einzige echte Rechtfertigung für eine Hengsthaltung. Wenn ein Hengst nicht eine gewisse Mindestanzahl an Stuten pro Jahr deckt, dann sollte man sich das Thema Kastration wirklich überlegen.
Gerade bei den Vollblutarabern haben wir deutlich mehr Hengste als benötigt werden. Viele dieser Hengste decken nicht oder nur sehr, sehr wenig. Ihr Ausscheiden aus der Zucht wäre häufig kein Verlust und die Pferde selber hätten als Wallach ein besseres Leben.
Ich selbst habe bereits zwei Prämienhengste mit guter Nachzucht kastrieren lassen, weil kein Interesse an ihnen als Deckhengst bestand. In beiden Fällen war die Entscheidung für die Pferde goldrichtig und ich bin froh, so entschieden zu haben.
Die Kastration eines erwachsenen Hengstes sollte grundsätzlich im Liegen erfolgen, auch wenn diese Methode deutlich teurer ist. Die Gefahr eines Darmvorfalls nach einer stehenden Kastration ist bei einem ausgewachsenen Hengst nicht zu unterschätzen.
Man geht davon aus, dass ein frisch kastrierter (Ex-)Hengst noch eine gewisse Zeit lang decken kann. Die Angaben variieren zwischen 3 Tagen und 3 Monaten, letzteres halte ich für deutlich zu hoch gegriffen. Allerdings sollte man ihn auf keinen Fall direkt nach der Kastration zu Stuten in die Herde stellen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die mentale Umstellung von „Hengst“ auf „Wallach“ ebenfalls einige Zeit dauern kann. Als Größenordnung kann man davon ausgehen, dass dies pro Lebensjahr eines Hengstes etwa einen Monat dauern wird. Ein 10-jähriger Hengst wird voraussichtlich also 10 Monate nach der Kastration sozial verträglich und „herden-tauglich“ sein.