Distanzsport – quo vadis?

Das Beitragsbild zeigt gut gelaunte Reiter/innen auf locker laufenden Pferden beim Mehrtages-Distanzritt „Auf dem Gestütsweg“.

Vorbemerkung

Ich bin kein aktiver Distanzreiter, ich bin nur EFR und KDR gegangen und habe auch nur wenige hundert km in der Wertung. Aber ich beschäftige mich mit dem Thema, verfolge seit Jahren viele Diskussionen und habe mir eine Meinung gebildet.

Internationaler Distanzsport

Der internationale Distanzsport leidet seit Jahren zunehmend(!) unter dem Einfluss des Geldes der sog. Gruppe 7 Länder (Mittlerer Osten). Insbesonders muss man hier die Meydan-Gruppe von Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktoum erwähnen.

Der Sport wird dort hochprofessionell durchgeführt, es gibt riesige Trainingsställe mit hunderten von Pferden. Die Reiter kennen die Pferde häufig kaum, sie werden von den Trainern zugeteilt und reiten nach Anweisung der Trainer. Es gibt massive Gerüchte über Doping und sonstige illegale Medikamentierung. Das Leben oder das Wohlergehen der Pferde dort spielt nur eine Rolle, wenn diese gewinnen bzw. vorne mitlaufen. Tötliche Verletzungen oder bleibende Schäden werden wohlwissend in Kauf genommen, alles was zählt ist der Sieg.

Aus diesen Gründen hat die FEI die Weltmeisterschaft der Distanzreiter 2016 kurzfristig von Dubai in’s slowakische Samorin verlegt. Leider sieht es aber so aus, dass die FEI kein ehrliches Interesse an der Aufklärung offensichtlicher Tierschutzfälle im internationalen Distanzsport hat.

Ohne einen Sponsor ist ein internationaler Distanzritt für einen Reiter eine verdammt kostspielige Angelegenheit. Die Startgebühren sind hoch, die Anreise ist weit, Unterkunft und Verpflegung für Pferd, Reiter und Tross müssen bezahlt werden.

Bis vor einigen Jahren war es üblich, in Europa erfolgreiche Reiter mit ihren Pferden, bei voller Kostenübernahme und mit der Aussicht, ein erfolgreiches Pferd anschließend für gutes Geld direkt dort zu lassen, zu Distanzritten in die UAE einzuladen.

Mittlerweile hat Meydan begonnen, CEI-Ritte in Europa zu sponsoren. Für Reiter, die auf solchen Ritten starten, entfällt die Startgebühr, sie erhalten Prämien für vorher definierte Ziele, kostenlose Unterkunft und Verpflegung für Pferd, Reiter und Tross sowie Einkaufsgutscheine. Die gesamte Veranstaltung ist hochprofessionell organisiert, die Atmosphäre muss sehr angenehm und das Essen soll excellent sein. Von daher ist für Reiter, die international starten wollen, die Versuchung groß, an solchen Ritten teil zu nehmen.

Persönliche Einschätzung

Das ganze Thema ist sehr komplex. Für jemanden, der sich nicht intensiv damit beschäftigt, ist es extrem schwierig die Vorgänge zu verstehen und sich eine Meinung zu bilden.

Ich habe nichts gegen Leistungssport, ich habe nichts gegen CEI-Ritte, ich freue mich für jeden deutschen Reiter, der international erfolgreich ist.

Aber ich habe ein riesengroßes Problem mit den sog. „Meydan-Ritten“, also den Ritten, die von „Sheik Mo“ gesponsort oder veranstaltet werden. Hier wird auf legalem Wege (unter dem Deckmantel der FEI bzw. „getarnt“ als CEI-Ritt) erfolgreich versucht, illegale und/oder tierschutzwidrige Praktiken rund um die teilnehmenden Pferde international zu etablieren. Was mich dabei ganz fuchtig macht, ist, dass die Teilnehmer, die sich ihre Teilnahme bei diesen Ritten bezahlen lassen, dies nicht erkennen.

Es geht mir also nicht um international oder nicht. Es geht mir nicht um Leistungssport oder nicht. Es geht mir auch nicht darum, ob Ritte per se gesponsort werden dürfen oder nicht.

Es geht mir nur und ausschließlich darum, dass dieser Sponsor mit seinem Geld (anscheinend erfolgreich) versucht, sein Verständnis von Distanz-Leistungs-Sport mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen (tote Pferde, Überlastungsbrüche, sonstige CI, Pferde, die nach der „erfolgreichen“ Nachuntersuchung kaum noch gehen bzw. sich auf den Beinen halten können, etc. pp.) als „normal“ zu etablieren.

Da nützt es auch nichts, dass die deutschen Reiter, die an solchen Ritten teilnehmen, solche Praktiken nicht nutzen oder nicht gutheissen. Durch ihre Teilnahme unterstützen sie indirekt das System und fördern diese tierschutzwidrigen und/oder illegalen Maßnahmen.

Die Teilnahme an einem „Meydan-Ritt“ ist, auch wenn es den Teilnehmern nicht bewusst ist, ein sport-politisches Statement im internationalen Distanz-Sport.

Zitate zur Verdeutlichung

Diskussion auf Facebook

Beitrag von Sigrun Zülke

Beispiel: Man kann nicht gegen die Mafia sein und gleichzeitig wissentlich auf eine von ihr finanzierte Party gehen, auch wenn das Essen lecker und die Musik gut ist, bei der Party selbst keiner erschossen wird und man auch noch die Hin- und Rückfahrt bezahlt bekommt.

Antwort dazu von Jens Tewes:

Sigrun, ein herrlicher und bestens passender Vergleich. Wobei man noch treffender formulieren könnte „zwar jemand erschossen würde, aber man selbst ja nicht dabei war, sondern am Pool einen Sekt schlürfte“.

Antwort dazu von Sigrun Zülke:

Ich hab ja keinen erschossen, im Gegenteil, ich hatte nicht mal eine Waffe dabei und mit meinem guten Beispiel gezeigt, dass man auf so einer Party auch Spaß haben kann, ohne jemanden zu erschießen.
Und am Buffett, bei dem wirklich ausgezeichneten Essen, habe ich mich mit vielen netten Gleichgesinnten getroffen und ein paar interessante neue Businesskontakte geschlossen. (vorsicht: Satire. oder doch nicht?)

Beitrag von Cornelia Koller im Distanzforum

Für alle, die mitlesen, nicht ganz so in der Materie sind zur Aufklärung, weil es in manchen Posts den Anschein hat, als ob es anders wäre:

Der VDD hat keinerlei Einfluss auf die FEI und auch nicht auf das internationale Reglement.
Der VDD ist bei der FN nur Anschlussverband, kann beratend wirken, sich austauschen, bitten, kooperieren, kommunizieren, aber die FN in keinster Weise zu etwas zwingen.
Mitglieder-Austritte aus dem VDD interessieren weder FN noch FEI. Sie schaden höchstens unserem nationalen Sport und schwächen den VDD noch mehr.
Der VDD lebt durch, von und mit seinen Mitgliedern. So wie jeder einzelne Mensch Respekt verdient, so sind es vor allem die, die ein Ehrenamt bekleiden und sich ihre Freizeit letztendlich für uns Reiter um die Ohren schlagen.Diskussionen hier sind kommunikativ vielleicht befruchtend (oder verletzend), in der Sache bewirken sie so viel wie der berühmte Reissack in China. Wer wirklich etwas tun will, schreibt Briefe an die FN und die FEI, bombardiert sie damit, unterzeichnet Petitionen und schaut nicht weg, wenn er einen Missstand sieht.CEI-Reiter erhalten vom VDD direkt kein Geld. Der VDD zahlt an die FN einen bestimmten Betrag, die wiederum dafür die recht schwankenden Kosten für die Bestückung der Championate übernimmt. USA zum Beispiel würde sich jetzt wohl kaum ein deutscher Reiter leisten können. Dennoch ist die Teilnahme an einem Championat für die Reiter immer teuer, weil sie auf einem Teil der Kosten selbst sitzen bleiben.
CEI-Veranstaltungen werden wie nationale Ritte auch vom VDD finanziell unterstützt. Da diese Veranstaltungen durch bestimmte Auflagen recht teuer sind, ist die Unterstützung höher als bei den nationalen Ritten, deckelt aber nur einen Bruchteil der reellen Kosten.

Genausowenig wie alles schwarz und weiss ist auf der Welt, sind alle CEIs und Reiter, die (auch – weil die meisten sind national und international unterwegs) starten, böse. Einen CEI zu veranstalten ist teuer und aufwändig, weshalb die arabische Taktik, Reiter mittels monetärer Verlockungen auf die eigenen Veranstaltungen zu ziehen und andere Veranstaltungen tot zu machen, nahezu perfekt ist.
Das derzeitige CEI-Reglement ist nicht so schlecht, ein Kritikpunkt ist jedoch, dass Pferde direkt nach der NU ohne Konsequenzen auf das Ergebnis behandelt werden dürfen. Früher musste man zwei Stunden warten, davor? Andrea? Es durfte zuvor gar nicht behandelt werden, oder? Die 2-Stunden-Regelung war ebenfalls umstritten, weil sie dazu führte, dass eine notwendige Behandlung des Pferdes hinausgezögert wurde.
Die meisten CEIs laufen wie nationale Ritte auch reglementskonform ab, die Dopingkontrollen zeigen ja auch, dass hier recht wenig Schindluder getrieben wird. Und die meisten CEI-Reiter mögen ihre Pferde genauso wie derjenige, der national reitet.

Inwieweit Korruption bei der FEI eine Rolle spielt, ist von außen ganz schwer zu beurteilen. Fakt ist, dass Offizielle und Tierärzte mit und ohne Statements zurücktreten, Pferde der UAE ohne Konsequenzen nachweislich vertauscht wurden, Kadaver vor Obduktionen urplötzlich verschwinden und die arabischen Länder einen traurigen Rekord bei den Dopingfällen anführen….

Letztendlich muss sich jeder selbst die Frage nach der eigenen Moral beantworten. Ganz egal, was und wo ich reite. Missstände kann es überall geben, wenngleich das, was sich die arabischen Länder erlauben (die man weder alle in einen Topf werfen darf noch deren Menschen), schon starker Tobak ist. Zumal wir davon ausgehen können, dass es nur eine klitzekleine Spitze eines Eisbergs ist, was wir überhaupt mitbekommen.

Ich habe diese Frage für mich beantwortet.

Nochmal.

Wer aktiv etwas für die Pferde und für unseren Sport tun will:
Schreibt Briefe an die FN.
Schreibt noch mehr Briefe an die FEI.
Schaut genau hin und macht den Mund auf, wenn Ihr Missstände seht.
Erhebt Eure Stimme, aber bleibt sachlich und respektvoll. Am besten an der richtigen Stelle. (Das betrifft auch Schimpfereien hier auf das Präsidium. Schreibt es doch selbst an, wenn Ihr mit etwas nicht einverstanden seid. Alles andere ist leider eher Stimmungsmache.)
Teilt die derzeitige Petition, bitte Freunde, Bekannte und Verwandte, sie zu unterzeichnen.

Danke!

Links

Es geht in dieser Petition darum, die FEI aufzufordern, den illegalen Auswüchsen im Distanzsport endlich einen Riegel vorzuschieben und effektive Maßnahmen zu ergreifen und vor allem auch durchzusetzen:
Global Petition for FEI Horse Welfare Reform

Beitrag auf der Seite des VDD (Verein der Distanzreiter Deutschland) vom 3.9.2018: Briefe an die FN und die FEI zu dem Thema
Briefe aus dem Präsidium an die FN und FEI zur Entwicklung im internationalen Distanzsport

Beitrag von Gudrun Waiditschka zu dem Thema von März 2017:
Distanzsport am Scheideweg (I) – Distanzsport-Misere in Dubai

Beitrag von Gudrun Waiditschka zu dem Thema von März 2017:
Distanzsport am Scheideweg (II) – Die Bouthieb-Initiative in Abu Dhabi

Beitrag von Gudrun Waiditschka zu dem Thema von April 2018:
Distanzsport im Kreuzfeuer

Ein Beitrag von Gudrun Waiditschka zum internationalen Show-Wesen, in dem sie sehr schön erläutert, wie wir Europäer die Araber-Shows an „die Scheichs“ verkauft haben. Man kann (und sollte) sich überlegen, in welcher Phase sich der internationale Distanzsport derzeit befindet und wohin der Weg uns führen wird:
Aus die Maus

Ausblick

Es bleibt spannend.

Aktuell wünsche ich den deutschen Distanreitern bei den Weltreiterspielen in Tryon / USA im September 2018 alles Gute und viel Erfolg!

Aktualisierung vom 23.8.2019

Ich habe mir lange überlegt, ob ich zum Thema „Tryon“ etwas schreiben soll.

Im Prinzip ist alles dazu gesagt.

Eine chaotische Veranstaltung, ein nicht fertig gestelltes Veranstaltungsgelände, unzumutbare Unterbringung für die Grooms, keine Chance die Strecke vorher zu besichtigen, ein unbekannter Startpunkt für den Ritt sowie extreme Wetter-Bedingungen.

Der Abbruch des Ritts und Restart über 120km und der entgültige Abbruch, nachdem alle Teilnehmer des Hauptsponsors ausgeschieden waren.

Da fehlen einfach die Worte um dieses Desaster zu beschreiben.

Zitat von Bernhard Dornsiepen nach dem entgültigen Abbruch des Rittes:
„Ich hatte mich schon nach dem Neustart für einen verschärften Wanderritt entschieden. Ein zweiter Start kostet die Pferde immer viel Kraft. Ich hatte einen wirklich schönen Ritt auf der zweiten Runde. Auch auf der dritten Runde, das geht durch schöne Landschaft. Sechs, sieben Kilometer am Bach entlang galoppieren, das kann man sonst nirgendwo. Die Menschen, die Zuschauer, das war einfach toll. Wie wir angefeuert und unterstützt wurden, das war Wahnsinn. Denen wollte ich etwas zurückgeben, Ich war mehr als den Tränen nah, als die Nachricht kam. Das ist für uns ein Schlag ins Gesicht der Aktiven. Diese ganze Veranstaltung. Den Abbruch kann ich nachvollziehen, die Bedingungen war extrem.“

Aber nun waren am vergangenen Samstag die Europa-Meisterschaften der Distanzreiter in Euston Park, England. Die EM selber war eine gute Veranstaltung, die Tierärzte haben einen guten Job gemacht, die Veranstaltung lief harmonisch ab und die Deutsche Mannschaft hat die Bronze-Medaille gewonnen. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Am Sonntag gab es einen „Begleitritt“ über 120km, offen für alle Nationen und abgekoppelt von der EM. Auf diesem Ritt ist ein Pferd auf erbärmliche Weise zu Tode gekommen: Ulla de Luc lief als 2. durchs Ziel, brach danach zusammen und starb direkt hinter der Ziellinie. (Angeblich) soll sie obduziert werden, ich bin gespannt, ob es jemals ein Ergebnis geben wird.

Berichten zu Folge soll ihr Reiter sie an den letzten beiden Crew-Punkte daran gehindert haben, zu trinken. Sie wollte zum Wasser, er zog sie weg und trieb sie weiter.

Der Tod dieses Pferdes wird – auch wenn es „offiziell“ eine andere Veranstaltung war, unmittelbar mit der EM in Zusammenhang gebracht. Es interessiert niemanden, dass die EM selber „sauber“ gelaufen ist. Am EM-Wochenende ist ein Pferd zu Tode geritten worden, das ist es, was zählt.

Passend dazu wurde bekannt, dass Alex Tennart, die Tierschutzbeauftragte des britischen Distanzreiterverbandes, suspendiert wurde, nachdem sie sich für mehr Tierschutz eingesetzt hatte. Sie ist daraufhin zurück getreten. Der britische Verband verhandelt derzeit mit der Meydan-Gruppe über ein Sponsoring- bzw. Veranstaltungs-Paket für die kommenden Jahre.

Ich sehe die Zukunft des internationalen Distanzsports im Moment rabenschwarz. Einmal mehr hat die Meydan-Gruppe bewiesen, dass sie den internationalen Sport „gekauft“ hat und ihre Werte im Sport verbreitet. Schließlich hat sich das Pferd „für den Sieg geopfert“ und wurde mitnichten zu Schande geritten (Achtung Sarkasmus).