Bewegung, Bewegung, Bewegung

Dem Thema Bewegung wird meines Erachtens nach in der Pferdehaltung immer noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.

Häufig werden Pferde nur Stunden-weise aus dem Stall gelassen, die Weiden sind klein und bieten keine Mögichkeit für die Pferde mal richtig „Gas“ zu geben.

Bedenken

Hintergrund ist häufig die Sorge von Pferdebesitzern, den Pferden könnte bei unkontrollierter Bewegung etwas passieren. Auch kosten große Weiden natürlich Geld und es ist verständlich, dass Stallbetreiber daran sparen.

Dazu kommt, dass Pferde, wenn sie ganztägig oder 7/24 draussen sind, viel rumstehen. So entsteht der Eindruck, dass sie sich sowieso nicht bewegen würden und der Weide-Aufenthalt nur dazu dient möglichst viel Gras zu fressen. Daraus entsteht dann die Sorge vor Verfettung, Koliken und Rehe-Erkrankungen.

Vorteile

Übersehen wird dabei, dass Pferde, wenn der Platz zur Verfügung steht, sehr viel wandern. Mit Bewegungs-Trackern wurde gemessen, dass Pferde, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, in 24 Stunden durchaus 10-20 km umher laufen.

Auch ist die Bedeutung von Galopp inzwischen weiter erforscht worden. Diese Gangart konditioniert den ganzen Körper. Dazu kommt, dass die Atmung im Rhytmus der Galopp-Sprünge arbeitet und die Lunge nur im Galopp so richtig durchlüftet wird. Daher ist die Möglichkeit ausgiebig zu galoppieren für die Gesundheit unserer Pferde elementar wichtig.

Aus diesen Gründen ist es für eine artgerechte und gesunde Pferdehaltung einfach wichtig, dass die Pferde ausreichend Platz auf großen Weiden haben, um umher zu wandern und auch mal „richtig“ zu galoppieren.

Jungpferde

Unumstritten sollte inzwischen eigentlich die Bedeutung von Bewegung (und frischer Luft) für die Aufzucht von Jungpferden sein. Es ist mittlerweile wissenschaftlich erforscht, dass eine Aufzucht in der Herde auf großen Flächen an 365 Tagen im Jahr die besten Chancen für ein gesundes Aufwachsen bietet.

Bewegungsmangel bei Jungpferden hängt direkt mit einem vorzeitigen Verschleiss von Bändern, Sehnen und Gelenken beim späteren Reitpferd zusammen, weil diese Strukturen in der Jugend trainiert werden müssen, um sich entsprechend entwickeln zu können.

Auch bezüglich der Entwicklung von Chips bzw. OCD konnte ein direkter Zusammenhang mit der Art der Aufzucht festgestellt werden.

Nur eine Bewegungs-reiche Aufzucht bietet beste Chancen für ein gesundes, leistungsfähiges Reitpferd!

Besonders kritisch sehe ich in diesem Zusammenhang den (verständlichen) Wunsch der Käufer / Besitzer von Jungpferden. Viele möchten das Pferd bei sich haben, um möglichst frühzeitig eine enge Beziehung aufbauen zu können. Leider haben aber die Wenigsten die Möglichkeit, ein Pferd so aufwachsen zu lassen, dass es die notwendigen Bewegungsmöglichkeiten bekommt und vergeben somit eine wesentliche Chance für eine optimale Aufzucht.

Eigene Erfahrungen

Einsteller

Ich erinnere mich an den Besuch einer potentiellen Einstellerin, die mich fragte, was ich denn machen würde, wenn die Pferde anfangen zu galoppieren?

Ich habe die Frage garnicht verstanden und antwortete, dass ich dann am Zaun stehe, den Anblick geniesse und mich darüber freue.

Daraufhin erzählte sie mir, dass in ihrem bisherigen Stall die Pferde dann immer sofort eingefangen und in den Stall gebracht würden. Sie würde aber für ihre Vollblutstute einen Stall suchen, wo sie auch mal richtig laufen könne.

Nachdem sie noch dreimal nachgefragt und sich versichert hatte, dass ich die Pferde tatsächlich rennen lasse, kam sie zu mir in den Stall.

Die „arabische Viertelstunde“

Häufig hatten unsere Pferde gegen Abend, oft zwischen 19:00 und 20:00 ihre „arabische Viertelstunde“. Sie galoppierten in großen Kreisen und langen Linien in verschiedenen Tempi über die Weide. Wenn ich die Gelegenheit hatte, ihnen dabei zuzusehen, konnte ich die Lebenfreude spüren!

Kondition / Training

Ich habe für mich selber festgestellt, dass meine Pferde immer „good in shape“ waren und bin überzeugt davon, dass dies maßgeblich auf meine Pferdehaltung zurück zu führen ist: im Sommer 7/24 draussen auf großen Weiden mit Weidehütte. Im Winter nachts in der Box und tagsüber, mindestens solange es hell war, auf großzügigen Paddocks, die auch das Galoppieren ermöglicht haben.

Meine Pferde waren immer vorzeigbar und ich konnte mit meinen „Weideeseln“ auch Show-Erfolge erzielen. So habe ich im Sommer 2011 Maharani CF und ihr Stutfohlen Majeedah CF für die Show in Ströhen genannt.
Maharani habe ich ca. 3 Wochen vorher übergeschoren, da sie durch die 7/24-draussen-Haltung etwas struppig auf Rücken und Kruppe war.
Am Nachmittag vor der Show habe ich beide reingeholt und habe sie gewaschen. Die Nacht haben sie in der Box verbracht.
Sehr früh am Morgen habe ich sie verladen und bin nach Ströhen gefahren. Johanna Ullström hat dann noch die Gesichter geschoren und die Pferde dezent geschminkt. Sie hat die beiden auch für mich vorgestellt.
Abends bin ich mit einem Fohlenchampion und einer Senioren-Championesse wieder nach Hause gefahren und habe die beiden auf die Weide entlassen.

Bezüglich des Distanz-Trainings waren unsere Pferde ohne irgendwelche Vorbereitung – ok, wir sind regelmässig im Gelände geritten – eigentlich immer fit, um EFR und KDR zu gehen. Das begrenzende Element war in der Regel die Kondition des Reiters (ich).

In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Aussage einer Vollblutaraber-Züchterin und Distanzreiterin zitieren. Sie schrieb in einem Forum mal sinngemäß, man müsse einen Araber jederzeit von der Weide ziehen und 80km reiten können. Ob das so in der Absolutheit wirklich gilt, mag ich nicht beurteilen. Aber wichtig ist in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach die Weide-Haltung, die für eine entsprechende Konditionierung sorgt.

Das alte Pferd

Mir ist über die Jahre hinweg immer wieder aufgefallen, dass ältere Pferde, spätestens wenn sie die 20 überschritten haben, sehr oft nicht mehr gut aussahen. Gerade bei älteren Vollblutaraber-Zuchtstuten ist mir das aufgefallen. Die Pferde fallen ein, die Muskulatur schmilzt dahin und sie wirken mager.

Ich habe ja nun leider nur ein Pferd gehabt, welches bei mir wirklich alt werden konnte: meine geliebte Menina (1990-2018). Sie wurde gesunde 28 Jahre alt und hatte dann leider eine Unfall-bedingte Verletzung, so dass ich sie einschläfern lassen musste.

Menina hatte insgesamt 15 Fohlen und sah bis zum Schluss top aus. Sie war gut bemuskelt und stand gut im Futter. Ja, sie wurde in den letzten Jahren vor allem im Winter zugefüttert und brauchte mehr als die jüngeren Pferde. Aber das halten andere Pferdebesitzer bei ihren alten Pferden nach meiner Kenntnis genauso.

Was meiner Meinung nach aber maßgeblich mit zu ihrer guten Form beigetragen hat, ist die Tatsache, dass sie bis zum Schluss viel Bewegung hatte.

Menina im Alter von 27 Jahren