Wir schreiben Anfang 2024 und ich habe in den letzten 2 Jahren eine große Frustration, in Bezug auf Pferdezucht im Allgemeinen und die Zucht von arabischen Pferden im Besonderen, aufgebaut.
Nicht nur Vollblutaraber
Egal ob es um die Zucht von Warmblütern oder um arabische Vollblüter geht, ob es um den internationalen Spitzensport oder um das Show-Wesen geht, die gesamte Pferdeszene scheint korrupt. Die Menschen, die mit Pferden Geld verdienen müssen oder wollen, ignorieren grundlegende Aspekte der Tierzucht, der artgerechten Haltung sowie der tierschutzgerechten Ausbildung der Pferde.
Pferde sind, genauso wie Rinder, Schweine oder Geflügel, zu einem Vehikel des Geld-Verdienens oder des persönlichen Renommées verkommen. Sie sind „Nutztiere“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Die aktuellen Vorkommnisse bei Helgestrand Dressage in Dänemark, der offene Brief von Claus Schridde bezüglich der Machenschaften im Oldenburger Verband, ein „paddelnder“, gekörter und prämierter Hannoveraner-Hengst, die Halswirbelsäulen-Problematik ECVM, das Show-Wesen der Vollblutaraber, der internationale Distanz-Sport: egal wo man hinschaut, es wird getrickst, getäuscht, manipuliert.
Um Harmonie im Reitsport, um eine vertrauensvolle Beziehung, um die Faszination für das Lebewesen Pferd, geht es schon lange nicht mehr.
Dienstleister und Kunden
Alle Menschen, die mit Pferden Geld verdienen, müssen ihre Kunden zufrieden stellen. Nur ein zufriedener Kunde bleibt und bezahlt seine Rechnungen. Ohne zahlungskräftige Kunden kann kein Trainer, Bereiter, Ausbilder seine eigene Miete bezahlen oder Lebensmittel einkaufen.
Überall, wo Pferde „professionell“ für Wettkämpfe trainiert oder vorbereitet werden, findet Tierquälerei statt. Es muss schnell gehen, die Trainer haben keine Zeit bzw. bekommen von den Besitzern nicht die nötige Zeit für eine tiergerechte Ausbildung bezahlt. Vollkommen egal, ob es um den Spring- oder Dressursport geht, das arabische Show-Wesen, den Westernsport oder die internationale Distanz-Szene: die Auswüchse sind überall die gleichen.
Die wenigen Ausbilder / Trainer, die sich eine pferdegerechte Ausbildung „leisten“ können, haben zahlungskräftige Kunden, die selber Pferdeleute sind. Es besteht Einigkeit über die Vorgehensweise und die Besitzer akzeptieren, dass ihre Pferde unabhängig von der tatsächlichen Qualität unter „ferner liefen“ abschneiden.
Geschlossenes System
Überall, sei es in den Zuchtverbänden, in den Reitvereinen, bei den Sport- oder Show-Veranstaltern und um diese Institutionen herum, haben sich Seilschaften gebildet. In diese Gruppierungen kommt man weder herein, noch blickt man durch. Wenn man genau hinschaut, erkennt man zwar die Auswüchse, aber wie diese Strukturen funktionieren ist nicht ersichtlich.
Licht am Ende des Tunnels
Ich sehe tatsächlich, dass es Veränderungen gibt!
Beispiel Warmblut
Ich habe nur lose Kontakte zur Warmblut-Zucht. Aber von aussen betrachtet, meine ich trotzdem zu erkennen, dass es auch hier bei einigen Züchtern ein Umdenken gibt.
Einige bemühen sich verstärkt darum, gesunde, solide Pferde mit einem guten Charakter zu züchten. Sie lassen ihre Zuchtpferde vor dem Zuchteinsatz durchchecken um z.b. ECVM auszuschließen. Sie setzen nicht den jüngsten Gewinner des Bundes-Championats ein, sondern wählen einen gesunden, soliden, bewährten Alt-Hengst. Sie versuchen nicht, den nächsten „Super-Strampler“ zu züchten, sondern konzentrieren sich auf gut verkäufliche und „bedienbare“ Pferde, die nicht regelmässig in Profi-Beritt müssen.
Beispiel Volllblutaraber
Niedergang der Show-Szene
Bis vor wenigen Jahren hat die Show-Szene zumindest den Eindruck erweckt, auch für „Otto-Normal-Pferdebesitzer“ interessant zu sein. Für Liebhaber arabischer Pferde war es durchaus von Interesse, zum All Nations Cup nach Aachen zu fahren. Es gab intensive Diskussionen über die Veranstaltung in den sozialen Netzwerken, es gab Begeisterung für einzelne Pferde, man fuhr dort hin, um sich zu treffen.
Das ist alles Vergangenheit. Die Anzahl der Zuschauer auf den Shows hat rapide abgenommen. Waren die Tribünen beim ANC in früheren Jahren rammel voll, so sind sie heute gähnend leer. Nur noch der VIP-Bereich ist gut gefüllt.
Die „Szene“ bleibt unter sich, Liebhaber des arabischen Pferdes bleiben den Veranstaltungen fern. Sicherlich schaut sich eine mir unbekannte Anzahl den Lifestream an – auch ich gucke da ab und an mal hinein – aber es findet keinerlei Austausch mehr statt, die sozialen Medien sind diesbezüglich tot und es interessiert niemanden ausserhalb der Szene mehr, welches Pferd was gewonnen hat.
Die große Mehrheit der Liebhaber arabischer Pferde hat schlichtweg kein Interesse mehr an diesen Pferden und diesen Veranstaltungen.
Züchter mit einem Konzept
Es gibt in meiner Wahrnehmung zunehmend Züchter, die sich deutlich von der Show-Szene abgrenzen und bewusst auf den züchterischen Einsatz von Pferden mit „Show-Blut“ verzichten.
Sie konzentrieren sich auf korrekte, bewegungsstarke, rittige und menschen-bezogene Pferde. Arabischer Typ, die berühmte arabische Ausstrahlung ist durchaus erwünscht. Aber die Schönheit im Sinne dessen, was auf den Shows gezeigt wird, ist kein Zuchtziel.
Es gibt ein paar Züchter, die schon seit Jahren diesen Weg gehen und damit Erfolg haben. Ich sehe aber auch, dass es einige ältere Züchter gibt, die ihre Zucht schon fast eingestellt hatten und jetzt mit ihren – teilweise schon älteren – Pferden wieder in die Zucht einsteigen. Und es gibt jüngere Züchter, die sich auf diesen alten Blutlinien und mit bisher als altmodisch gebrandmarkten Pferden eine Zucht aufbauen.
Die Pferde, die man bei diesen Züchtern kaufen kann, gibt es nicht zum Schnäppchen-Preis. Es gibt aber inzwischen eine Kundschaft, die genau solche Pferde sucht und bereit ist den Preis zu zahlen. Somit entwickelt sich gerade in meiner Wahrnehmung ein gesunder Markt für diese Pferde.
Fazit
Ich habe nach Jahren der Hoffnungslosigkeit wieder Hoffnung geschöpft, dass es einen Weg nach vorne zu gesunden, korrekten, rittigen und menschenbezogenen Pferden gibt!