Meinungen aus dem Netz:
Es gibt Distanzreiter, die vertreten die Meinung: „ich bezahle dem Züchter doch nicht sein Hobby!“. (Distanzreiterforum)
Viele Züchter bedauern, dass es für die „alten Linien“ keinen Markt gibt. (Diverse)
Viele Distanzreiter suchen ein billiges Pferd. Wenn es hält, ist es gut. Wenn es nicht hält, hat man nicht so viel Geld kaputt gemacht. (Distanzreiterforum)
Distanzreiter kaufen lieber in Frankreich oder den USA, weil da die Auswahl größer ist. Eine Vielzahl von Pferden wird seit Generationen auf Leistung gezüchtet und die Aufzuchtbedingungen sind besser. (Facebook)
Viele Züchter erwarten von den Zuchtverbänden, dass diese mehr für das Marketing der von ihnen betreuten Rassen tun. (Diverse)
Letztens erst gelesen: „xxx habe ich ja auch schon live gesehen. Ein wunderschöner Araber im Miniatur Warmblutformat. So einen Vollblutaraber habe ich sonst noch nirgends gesehen. Ein in meinen Augen einmaliger Hengst.“ (Facebook)
Der Vollblutaraber als Sportpferd:
Disziplin Dressur
Aufgrund seines Gangvermögens und seiner geringen Größe kann ein Vollblutaraber nur in den seltensten Fällen mit Warmblütern mithalten. Wenn er es kann, dann benötigt er einen äußerst ambitionierten und engagierten Reiter, der die „Anfeindungen (wann kaufst Du Dir endlich ein richtiges Pferd?)“ über Jahre hinweg aushalten kann.
Disziplin Springen
Aufgrund seines nicht sehr ausgeprägten Springvermögens ist der Vollblutaraber in aller Regel für Springprüfungen der höheren Klassen (ab M) nicht geeignet.
Disziplin Vielseitigkeit
Mir ist nur eine Züchterin aus Österreich bekannt, deren Pferde hier erfolgreich mitlaufen, obwohl sie für diese Sparte der „traditionellen Turnierreiterei“ meines Erachtens nach noch am ehesten geeignet sein müssten.
Disziplin Rennen
Viele Vollblutaraber, welche seit Generationen für den Rennsport gezüchtet wurden, laufen sehr erfolgreich im Sport. Soweit ich das beurteilen kann, werden die erzielten Geschwindigkeiten immer schneller.
Disziplin Distanzreiten
Auch hier gibt es zahlreicher Vollblutaraber, die erfolgreich im Sport laufen. Auch hier werden die erzielten Geschwindigkeiten immer schneller und die Regenerations-Zeiten kürzer.
Der Vollblutaraber als Veredler:
Die „Umformung“ des Warmblüters von einem kräftigen, stämmigen, vielseitig einsetzbaren Wirtschafts- und Militär-Pferd zu einem modernen, eleganten Sportpferd ist abgeschlossen.
Moderne Warmblüter sind edel, häufig hübsch anzusehen und verfügen über die nötige Härte, Ausdauer und Gesundheit. In der heutigen Zeit ist eine „Veredlung“ der Warmblutzuchten nicht mehr notwendig und auch nicht mehr erwünscht.
Dies zeigt sich auch darin, dass vor einigen Jahren die Bestimmungen zur Hengstleistungsprüfung geändert wurden. Heute (2017) wird der Zuchtwert mit in die Endnote einer Hengstleistungsprüfung hineingerechnet. Das bedeutet, dass die Ergebnisse der Vorfahren im 70-Tage-Test (HLP) sowie in Dressur- und Springprüfungen (und zwar nur in diesen Prüfungen!) mit in die Endnote eingerechnet werden.
Dies bedeutet, dass ein Hengst, welcher einen Vollblutaraber als einen Großelternteil besitzt, von diesem einen Zuchtwert von Null erhalten wird und er somit im Ergebnis seiner HLP selber herunter gerechnet wird, egal wie gut das Pferd selber objektiv abgeschnitten hat. Somit schießt sich jeder Warmblut-Züchter, der Edel-Blut einsetzen möchte, selber „ins Knie“. Das gilt nebenbei auch für den Einsatz von Englischen Vollblütern.
Die Zucht von Anglo-Arabern ist ebenfalls weitgehend konsolidiert, der Einsatz von arabischem Vollblut ist einigen wenigen Idealisten vorbehalten.
In der Zucht von Shagya-Arabern ist der Einsatz von arabischen Vollblütern nur bedingt möglich, da ein zu hoher Prozentsatz von arabischem Vollblut im Pedigree unerwünscht ist.
Einzig in der Zucht von arabischen Partbreds in „Sonderlackierung“ wird der Vollblutaraber noch nennenswert eingesetzt, aber auch hier ist der Markt begrenzt.
Vollblutaraber im Distanzsport:
Nach meinen Beobachtungen reitet die überwiegende Anzahl der Distanzreiter in Deutschland zum eigenen Vergnügen. Größere sportliche Ambitionen sind häufig nicht vorhanden.
Ein Distanzwochenende ist für viele ein Kurzurlaub. Viele Distanzreiter sind „aus Versehen“ an den Sport geraten. Das arabische Pferd war da, was machen wir jetzt damit? Versuchen wir es doch mal mit Distanzreiten.
Es ist auffällig, dass in Deutschland der alte Distanzreiter-Spruch “angekommen ist gewonnen” nach wie vor eine sehr hohe Bedeutung hat und die Einstellung vieler Reiter zu ihrem Sport beherrscht. Auch ist auffällig, dass die Kilometer-Laufleistung eines Pferdes in Deutschland stärker im Bewusstsein ist, als Siege auf 100-Meilen-Ritten. Beispielsweise kennt “jeder” den Namen Czyppa oder Ajax. Aber wer weiss schon, welches Pferd 2014 die deutsche Meisterschaft gewonnen hat?
Somit laufen auch viele Pferde im Sport, welche nicht ausdrücklich dafür gezüchtet wurden. Sie sind keine 100-Meilen-Sieger, aber sie bringen ihre Reiter zuverlässig über mittlere und auch lange Distanzen. Oft ist auch der Reiter das „leistungsbegrenzende Element“, weil seine Leistungsfähigkeit und Kondition längere Strecken nicht ermöglicht.
Erst wenn dieses Pferd dann in Rente geht, wird systematisch nach einem Nachfolger gesucht. Aber auch in diesem Fall wird nur begrenzt auf eine wirkliche Leistungsabstammung Wert gelegt.
Wie oben bereits unter „Meinungen aus dem Netz“ festgestellt, ist für viele Käufer von Distanzpferden der Preis wichtiger als eine Leistungsabstammung oder eine optimale Aufzucht. Und falls doch auf Abstammung und Aufzucht Wert gelegt wird und das nötige Kleingeld vorhanden ist, dann wird gerne im Ausland (Frankreich oder USA) gekauft, weil dort die Auswahl größer ist.
Vollblutaraber als Show-Pferde:
Die Show-Szene hat sich zu einem eigenen Verwendungsbereich für arabische Vollblüter entwickelt. Weitere Informationen und Gedanken hierzu finden sich im Beitrag “Show vs. Schau”.
Vollblutaraber als Freizeitpferde:
Als schönes(!) Freizeitpferd hat der Vollblutaraber seinen größten Markt.
In diesem Bereich steht der Vollblutaraber in direkter Konkurrenz zu Haflingern, Norwegern, Barock-Pferden, zu groß gewordenen Reitponies und kleinen Warmblütern. Was er mit diesen Rassen gemeinsam hat, ist die Vielseitigkeit der Einsatzmöglichkeiten. Alle können im Springen, in der Dressur (traditionell oder klassisch) ausgebildet werden, können Wander- und/oder Distanzritte gehen und können zuverlässige, umgängliche und nette Familienmitglieder werden.
Was den Vollblutaraber von diesen Rassen abhebt ist seine Intelligenz, Sensibilität, Menschenbezogenheit und seine Schönheit. Gerade seine Intelligenz und Sensibilität wird von den Liebhabern dieser Rasse sehr geschätzt. Viele Menschen können damit aber leider nicht umgehen, für sie ist der Araber im besten Falle „schwierig“. Daher ist der Araber kein Pferd für jedermann.
Persönliches Fazit:
Für einen Vollblutaraber als Hochleistungs-Sportpferd, wie es im internationalen Distanz- und Rennsport gesucht, gebraucht und verwendet wird, sehe ich in Deutschland keinen Markt. Die wenigen Reiter, die ein solches Pferd suchen, können im Ausland, z.B. in Frankreich unter einer großen Anzahl an durchgezüchteten Pferden auswählen.
Historisch gesehen hat kein Züchter in Deutschland eine solche Menge an durchgezüchteten Leistungspferden wie sie z.B. in Frankreich oder den USA zu finden sind. Sie dazu auch meinen Beitrag “Entwicklung in Deutschland”.
Auch für einen Vollblutaraber in den klassischen Disziplinen Dressur und Springen sehe ich keinen Markt. Ebenso ist er als Veredler in anderen Rassen relativ uninteressant.
Als Show-Pferd füllt er eine Nische, Pferde welche in dieser Sparte erfolgreich sind, können u.U. noch zu guten Preisen verkauft werden.
Bleibt die Verwendung des Vollblutarabers als Freizeitpferd. Hierfür muss er korrekt gebaut sein, gesund, charakterlich einwandfrei, leistungsbereit und ausserdem auch noch hübsch (wobei Schönheit im Auge des Betrachters liegt). Auch wenn viele potentielle Käufer sagen “der Kopf ist mir egal” und “auf dem Kopf kann ich nicht reiten”, erliegen viele dann doch dem Charme eines hübschen Gesichtes mit großen Augen und bevorzugen letztendlich dann das hübschere gegenüber dem vielleicht(!) leistungsfähigeren Pferd.
Was den sportlichen Einsatz dieser Pferde, zum Beispiel im Distanzsport angeht, hängt dieser vom Einsatz und Einfühlungsvermögen sowie den Fähigkeiten des Besitzers bzw. Reiters ab. Viele Pferde laufen erfolgreich und zur vollen Zufriedenheit ihrer Reiter/Besitzer bis auf die lange Strecke, weil diese das Pferd entsprechend seinen Möglichkeiten fördern und fordern. Auch wenn die Pferde ursprünglich nicht dafür gezüchtet worden waren.