Es gibt im Laufe des Jahres 2021 zunehmend Beiträge in den sozialen Medien zum Thema PSSM2 bei arabischen Vollblütern. Auch ich persönlich kenne ein Pferd, welches entsprechende Symptome hat und bei dem der aktuell verfügbar Test ergeben hat, dass er (ein Wallach) PSSM2 Träger ist. Dieses Pferd war vor seiner Kastration in der Zucht und hat einen Sohn, der ebenfalls – noch deutlichere – Symptome zeigt und bei dem der Test ebenfalls PSSM2 nach gewiesen hat.
Abgrenzung
PSSM (inzwischen auch PSSM1 genannt) ist ein Gendefekt, der vor allem bei Quarterhorses und verwandten Rassen (Paint, Appaloosa) sowie bei weiteren, stark bemuskelten Rassen (z.B. Kaltblüter) vorkommt. PSSM steht für steht für „Polysaccharide Storage Myopathie“. Der Gendefekt führt zu einer übermäßigen Glykogenspeicherung im Muskelgewebe und verursacht muskuläre Probleme bis hin zu Kreuzverschlag-ähnlichen Ausprägungen.
PSSM1 kann über einen Gen-Test festgestellt werden und tritt bei arabischen Vollblütern nicht auf.
Nun gibt es aber Pferde, vorallem Warmblüter, aber unter anderem auch arabische Pferde, bei denen PSSM-Symptome auftreten, bei denen der Gendefekt für PSSM1 aber nicht nachgewiesen werden kann. Diese Symptome werden unter dem Begriff PSSM2 zusammengefasst, obwohl sie ausser der Symptomatik nichts mit dem Gendefekt PSSM1 zu tun haben.
Der Test
Die Generatio GmbH bietet einen Test auf PSSM2 an, Zitat:
„Produktinformationen
„PSSM2-6Variants“ PSSM2 ist ein Überbegriff für eine Gruppe von Muskelerkrankungen mit Symptomen wie Belastungsintoleranz, Muskelatrophie (Abbau), zeitweilige Lahmheit, Muskelsteifheit, Ganganomalien und schmerzbedingte Verhaltensänderungen.
Das PSSM2 Equine Myopathy Panel testet sechs Varianten, die mit PSSM2 assoziiert sind: P2, P3, P4, Px, P8 und K1. Der Test ist von EquiSeq Inc. patentiert und wird in Europa exklusiv von generatio angeboten.“
Die Ergebnisse sind aber anscheinend bislang noch nicht in einer begutachteten Fachzeitschrift veröffentlicht worden.
Zitat von der Webseite der APHCG:
„Inwieweit unterschiedliche Konstellationen verschiedener Mutationen die Erkrankungshäufigkeit und ‐schwere beeinflussen, kann derzeit nicht gesagt werden und muss Gegenstand zukünftiger Forschungen sein. Bisher konnte der Gendefekt jedoch nur unter Ausschluss von PSSM 1 und einer Muskelbiopsie ermittelt werden.“
Und:
„PSSM2‐Erkrankungen sind nicht heilbar. Die meisten von PSSM 2 betroffenen Pferde profitieren von einer angepassten Fütterung mit hohem Fett‐ und Proteinanteil und/ oder Fütterungsergänzung der Aminosäuren Lysin, Threonin, Methionin sowie angepasster Haltung mit regelmäßigem Training.“
Ein Kommentar von der Webseite der Universität Zürich:
„Der Gentest für PSSM 1 ist seit vielen Jahren verfügbar und wurde durch viele wissenschaftliche Studien validiert. Das Ergebnis kann daher als sicher und zuverlässig angesehen werden.
Seit einiger Zeit wird auch ein kommerzieller Gentest für PSSM Typ 2 angeboten, der Mutationen in verschiedenen Genen nachweist. Je nach Testanbieter können verschiedene Gene und Varianten untersucht werden. Die am häufigsten angebotenen Varianten heissen P2 (Mutation im MYOT Gen), P3 (Mutation im FLNC Gen) und P4 (Mutation im MYOZ Gen), aber es werden auch noch weitere Tests angeboten. Im Resultat ist jeweils aufgeführt, in welchem Gen welche Mutation untersucht wurde. Zwei unabhängige wissenschaftliche Studien, durchgeführt von einer ausgewiesenen Expertin auf dem Gebiet von Muskelerkrankungen bei Pferden, konnte jedoch keinen Zusammenhang dieser Genmutationen mit den typischen klinischen Symptomen und den Resultaten einer Muskelbiopsie nachweisen. In einer Studie wurden Warmblüter und Araber untersucht. Hier wurde gezeigt, dass 40% der untersuchten Pferde durch das Vorhandensein einer Mutation im Gentest fälschlicherweise mit PPSM Typ 2 diagnostiziert wurden, jedoch keine PSSM typischen Veränderungen in den durchgeführten Muskelbiopsien zeigten. Andererseits hatten 66% der Pferde, die PSSM typische Veränderungen in der Muskelbiopsie hatten, keine Mutationen in diesem Gentest und wurden somit vom Gentest nicht erkannt (Valberg et. al. 2020). In einer zweiten Studie wurden Quarter Horses untersucht und 57% der gesunden Quarter Horses wurden fälschlicherweise mit PSSM Typ 2 diagnostiziert und 40% der an PSSM Typ 2 erkrankten Quarter Horses wurden vom Gentest nicht erkannt (Valberg et. al. 2022). Der angebotene Gentest sollte daher nicht zur Diagnose von PPSM Typ 2 herangezogen werden und sollte auch keine Auswirkungen auf den Zuchteinsatz oder eine Ankaufsuntersuchung haben. Wir empfehlen, bei Pferden mit klinischen Symptomen von PSSM und negativem PSSM Typ 1 Gentest immer eine Muskelbiopsie durchzuführen.„
Besonders wichtig finde ich die letzten beiden Sätze!!!
Status im September 2021:
- Es gibt aktuell Pferde, die PSSM-Symptome zeigen, bei denen der Test aber kein PSSM 2 nachweist.
- Es gibt aktuell Pferde, bei denen der Test PSSM 2 nachweist, die aber keine Symptome zeigen (selten, da schon alleine aufgrund der Kosten für den Test überwiegend symptomatische Pferde getestet werden).
- Es gibt aktuell Pferde, die PSSM-Symptome zeigen und bei denen der Test PSSM 2 nachweist.
Mein persönliches Fazit:
Aktuell gibt es keinen wissenschaftlich validierten Zusammenhang zwischen den getesteten Gen-Variationen und einer PSSM-Symptomatik.
Daher halte ich diesen Test, der aktuell (Sommer 2021) verfügbar ist, für nicht aussagefähig.
Ich kann gut verstehen, dass ein Testergebnis für einen verzweifelten Pferdebesitzer eine große Erleichterung darstellt: „Endlich weiss ich, was meinem Pferd fehlt!“, man „weiss endlich Bescheid“.
Wenn ich mir dann aber die Fütterungs-Empfehlungen anschaue, sind diese unabhängig von der exakten Diagnose, immer gleich bzw. identisch. Der Pferdebesitzer soll ausprobieren welche der folgenden Fütterungsempfehlungen bzw. welche Kombination hilft:
- Eiweiss rauf
- Kolehydrate / Zucker runter
- essentielle Aminosäuren suplementieren
- Vitamin E suplementieren
- Mangan suplementieren
Ich frage mich: wozu braucht es hierfür einen Test? Als betroffener Pferdebesitzer kann ich eine Futterumstellung auch durchführen, ohne vorher einen nicht validierten Test machen zu lassen. Was bleibt ist die Ungewissheit, aber ist es so wichtig, dass „das Kind einen Namen“ hat?
Es ist noch viel Forschung zu diesem Thema nötig.
Es stellt sich die Frage, ob PSSM 2 „nur“ eine genetische Disposition für Zivilisations-Krankheiten ist?
Sobald gesicherte, wissenschaftliche Kenntnisse über diese Symptomatik vorliegen und ein entsprechender, wissentschafltich validierter Test vorliegt, werde ich diesen selbstverständlich unterstützen.
Aktualisierung im Juli 2022:
PSSM Typ 2: Studie der Universität Zürich warnt vor fehlender Aussagekräftigkeit von Gentests – Link zu einem entsprechenden Artikel auf Wittelsbürger.de
Zitat aus dem Artikel von Wittelsbürger.de:
„Zwei unabhängige wissenschaftliche Studien, durchgeführt von einer ausgewiesenen Expertin auf dem Gebiet der Muskelerkrankungen bei Pferden, konnten keinen Zusammenhang dieser Genmutationen mit den typischen klinischen Symptomen und den Resultaten einer Muskelbiopsie nachweisen. In einer Studie wurden Warmblüter und Araber untersucht.
Hier wurde gezeigt, dass 40% der untersuchten Pferde durch das Vorhandensein einer Mutation im Gentest fälschlicherweise mit PPSM Typ 2 diagnostiziert wurden, jedoch keine PSSM-typischen Veränderungen in den durchgeführten Muskelbiopsien zeigten. Andererseits hatten 66% der Pferde, die PSSM-typische Veränderungen in der Muskelbiopsie hatten, keine Mutationen in den untersuchten Genen und wurden somit vom Gentest nicht erkannt (Valberg SJ et al. Equine Vet J. 2021 Jul;53(4):690-700. doi: 10.1111/evj.13345).
In einer zweiten Studie wurden Quarter Horses untersucht. Dabei wurden 57% der gesunden Pferde fälschlicherweise mit PSSM Typ 2 diagnostiziert und 40% der histologisch an PSSM Typ 2 erkrankten Quarter Horses wurden vom Gentest nicht erkannt (Valberg SJ et al. Equine Vet J. 2022, early view. doi: 10.1111/EVJ.13574). Die angebotenen Gentests sollte daher nicht zur Diagnose von PPSM Typ 2 herangezogen werden und sollten auch keine Auswirkungen auf den Zuchteinsatz oder eine Ankaufsuntersuchung haben.“
Quellen / Links:
Webseite der APHCG mit Informationen zu PSSM (1+2)
Webseite der Universität Zürich
Artikel der Universtität Zürich zum angeboten Gentest (Mai 2022)