Die nachfolgende Aufstellung soll einen groben Überblick über die unterschiedlichen Blutlinien der Vollblutaraberzucht geben. Diese Aufstellung ist zum einen subjektiv und erhebt zum anderen keinen Anspruch auf Vollständigkeit
Pferde die ausschließlich einer jeweiligen Blutlinie zu zuordnen sind, gibt es immer weniger. Durch den Einsatz von TG-Sperma weltweit und eine starke Tendenz zu Modehengsten vermischen sich die Blutlinien immer mehr. Ausnahme sind hier lediglich die Asilen/Reinägypter, die i.d.R. auch weiterhin innerhalb ihrer Linien gezüchtet werden.
Den Text habe ich 2012 verfasst, Begriffe wie „aktuell“ oder „im Moment“ beziehen sich daher immer auf 2012, ich bitte dies für die Zukunft zu beachten.
Definition des Vollblutaraber
Als Vollblutaraber wird jedes Pferd bezeichnet, welches in einem WAHO anerkannten Stutbuch registriert ist.
Die WAHO ist die World Arab Horse Organisation, der übergeordnete Verband, dem weltweit die nationalen Araber-Zuchtverbände angeschlossen sind. In Deutschland ist das der VZAP (Verband der Züchter und Freunde des Arabischen Pferdes).
Asil-Araber
Als asil werden arabische Pferde bezeichnet, die sich in jeder Linie ihrer Vorfahren auf Pferde aus den Originalzuchtgebieten im Orient zurück führen lassen.
Dies sollte eigentlich bei jedem Vollblutaraber der Fall sein. Speziell in Europa haben wir aber die Situation, daß von einigen Pferden die Abstammung im Unbekannten endet; sei es, weil ihre Herkunft im 19. Jahrhundert nicht ordentlich dokumentiert wurde oder weil ihre Abstammung im Laufe des 20. Jahrhunderts durch Kriegswirren oder auch durch unzuverlässige Aufzeichnungen verloren gegangen ist. Somit haben wir die Situation, daß viele Araber nicht als asil gelten (können), weil man ihre Abstammung in den nahen Osten nicht mehr einwandfrei zurück verfolgen kann. In der Regel kann man davon ausgehen, daß alle Polen, Russen, Franzosen und Spanier, sowie Pferde, die einen solchen Ahnen im Pedigree haben, nicht asil sind.
Hingegen gelten alle Pferde, die im Laufe des 20. Jahrhunderts aus den Original-Zuchtgebieten importiert wurden und deren Abstammung glaubhaft erklärt werden konnte (Aufzeichnungen gab es im nahen Osten kaum, die Abstammung wurde mündlich überliefert) als asil.
Die Asilaraber werden in Europa vom Asil Club betreut, in den USA von der Al Khamsa.
Reinägypter
Als Reinägypter gelten alle asilen Vollbutaraber, die zusätzlich in jeder Linie ihrer Abstammung auf Pferde zurückgehen, die folgende Bedingungen erfüllen:
- Pferde, die von Abbas Pasha I oder Ali Pasha Sherif gezogen wurden oder ihnen gehörten;
- Pferde, die zu den Stammstuten der RAS/EAO gehören, und die mit einer Eintragungsnummer in den Stutbüchern der RAS/EAO ab Band I, Seite 45 zu finden sind. Ausgenommen die Hengste Registan und Sharkasi, da ihre Abstammungen Elemente enthalten, die nicht mit der Zielsetzung der Pyramid Society Europe übereinstimmen;
- Pferde (ausgenommen jene, die von Registan oder Sharkasi abstammen), die in einem ägyptischen Privatgestüt gezogen wurden und direkt von dort importiert wurden noch bevor die EAO mit der Kontrolle der privaten Zuchten begann (siehe Band IV des Stutbuchs der EAO).
Die Organisation der Reinägypter ist die Pyramid Society.
Blue List
Pferde, die in den 1950er oder 60er Jahren von Mrs. Ott erfasst wurden; sie hat ihre Aufzeichnungen in einem blauen Heft notiert, daher der Name „blue list“. Diese Liste war ein erster Versuch, asile Vollblutaraber weltweit zu erfassen. Leider ist diese Liste unvollständig geblieben, da Mrs. Ott sie nicht mehr abschließen konnte. Somit bilden die Blue List Pferde eine Untergruppe der asilen Vollblutaraber.
Altdeutsche Blutlinien / Weil-Marbach – Lütetsburg – Achental
Der Württembergische König begann früh mit der Reinzucht arabischer Pferde. Anfang des 19. Jahrhunderts importierte er Pferde aus dem Nahen Osten. Die beiden berühmtesten sind der Hengst Bairactar, geb. 1813 und die Stute Murana I, geb. 1808.
Nach der Weltwirtschaftskrise hat die Nachfahrin des württembergischen Königshauses, die Fürstin zu Wied, ihre Ländereien und ihre arabische Pferdeherde 1932 dem Land Württemberg vermacht, mit der Auflage, die Vollblutaraberzucht weiter zu führen. So sind die Pferde aus dem damaligen Gestüt Weil (bei Esslingen) nach Marbach auf der Schwäbischen Alb umgezogen.
Bis heute werden in Marbach Vollblutaraber gezüchtet. Im Moment gibt es m.W. in Marbach nur noch eine einzige asile Stute aus den alten Linien. Alle anderen Stuten der alten Linien sind durch die Einkreuzung des polnischen Hengstes Halef ab 1947 nicht mehr asil.
Seit den 1950er Jahren gibt es neben den alten Stutenlinien auch reinägyptische Familien in Marbach, die durch den Import von Pferden aus Ägypten (hier vor allem die Stute Nadja) gegründet wurden.
Geprägt wurde die Zucht in Marbach durch den Reinägypter Hadban Enzahi, der die „silberne Herde“ weltberühmt gemacht hat und die Zucht in Marbach zu einer Blütezeit geführt hat.
Nach dem 2. Weltkrieg entstanden noch weitere Privat-Zuchten, besonders bedeutend waren in den ersten Jahren die Gestüte in Lütetsburg (Fürst zu Inn- und Knypphausen) und in Achental.
Stammstute im Gestüt Lütetsburg war die Stute Sarolta aus der Zucht von Kurt Entress Ende der 1940er Jahre. Weitere Stuten kamen aus Marbach dazu. Bedeutende Hengste waren Haladin und Ghazal. Die Zucht wurde im Laufe der Jahre auf reinägyptische Blutlinien umgestellt. 1965 wurde die Zucht erstmalig eingestellt, die meisten Pferde gingen nach Marbach. Ende der 1970er Jahre wurde die Zucht reaktiviert, die Pferde aus Marbach (bzw. Nachkommen) kamen zurück, 1985 wurde das Gestüt dann endgültig geschlossen.
Auch das Gestüt Achental wurde Ende der 1940er Jahre gegründet. Die Stammstuten kamen in diesem Gestüt überwiegend aus Babolna. In Achental wurden überwiegend polnische Hengste eingesetzt. Das Gestüt wurde 1967 geschlossen.
Um die Jahrtausendwende entstand eine Initiative mit dem Namen „IGMAL“ – Interessengemeinschaft der Marbacher, Achentaler und Lütetsburger Blutlinien. Sie hat ein sehr interessantes Buch mit dem Namen „Vollblutaraber alter deutscher Blutlinien“ herausgegeben.
Crabbet
Das Gestüt Crabbet Park wurde von Lady Anne Blunt in Sussex gegründet, die ab 1878 zahlreiche Pferde aus Ägypten und dem nahen Osten importiert hat. Ab 1920 wurde die Zucht von ihrer Tochter Lady Wentworth weiter geführt.
Viele Crabbet Pferde sind sehr bunt (Füchse mit vielen weissen Abzeichen), was durch den Hengst Mesaoud in die Linie kam. Sie sind kräftig und mit guten Reitpferdepoints ausgestattet.
Ein bedeutender Hengst für die Crabbet-Zucht war Skowronek, der aus Polen importiert wurde. Da seine Abstammung nicht absolut geklärt ist, gilt er als nicht asil. Somit gibt es bei den Crabbet-Pferden sowohl Asile, als auch Pferde, welche Skowronek im Pedigree führen und somit nicht asil sind.
Viele Crabbet-Araber wurden in die USA exportiert, gerade auch Skowronek-Söhne.
100% Crabbet-Araber sind inzwischen vergleichsweise selten, es gibt aber noch eine bedeutende Population in Australien, darunter auch viele Braune (und nicht nur die als „typisch“ geltenden bunten Füchse). Und es gibt auch noch 100% Crabbet-Araber in Großbritannien, diese sind mittlerweile überwiegend Schimmel. Eine sehr geringe Anzahl asiler Crabbet-Araber existiert noch in den USA. Um sich Crabbet-Araber nennen zu dürfen und an den entsprechenden Schauklassen in England teilzunehmen, muss ein Crabbet-Blutanteil von mindestens 75% vorhanden sein.
Polnische Blutlinien
Der polnische Adel hat bereits im 19. Jahrhundert arabische Pferde gezielt gezüchtet. Es bestand ein reger Austausch mit den Zuchten in Babolna, Württemberg und anderen.
Heute gibt es die drei Staatsgestüte Michalow, Janow Podlaski und Bialka sowie einige private Züchter.
Lange Jahre wurden die Pferde streng auf Leistung gezüchtet. Auch heute noch gehen die meisten Pferde vor einem Zuchteinsatz als Leistungstest auf die Rennbahn. Trotz der hohen Leistungsstandards sind einige Stutenlinien für ihre herrliche Ausstrahlung berühmt.
Immer wieder pachten die Polen bedeutende internationale Hengste an, die sie dann auf einer breiten Stutenbasis einsetzen um dann die besten Zuchtergebnisse in ihr Zuchtprogramm zu integrieren.
Ganz aktuell sind die ausgezeichneten Erfolge der in Janow Podlaski gezogenen Pianissima, die sowohl als Juniorin als auch als Seniorin die begehrte Triple Crown auf Schauen gewinnen konnte. Ebenfalls herrlich die wunderbaren Monogramm-Töchter, die in den letzten Jahren die Senioren-Klassen auf den großen Shows dominiert haben.
Jährlich im Herbst findet in Janow Podlaski die „Pride of Poland Sale“ statt, bei der teilweise spektakuläre Preise gezahlt werden.
(Rein) Russische Blutlinien
Im Rahmen der Oktoberrevolution 1918 wurde der gesamte arabische Pferdebestand des Adels vernichtet. In den darauffolgenden Jahren wurde die Vollblutaraberzucht neu aufgebaut. Dafür wurden zunächst Pferde aus Frankreich und Spanien nach Tersk importiert, anschließend kamen Pferde aus England (Crabbet) dazu. Im 2. Weltkrieg wurden dann einige Pferde aus Polen in die Zucht integriert. In den 50er Jahren wurde der reinägyptische Hengst Aswan der russischen Regierung als Staatsgeschenk für die Hilfe beim Bau des Assuan-Staudamms übergeben. Er beeinflusste die russische Zucht sehr stark. Seine Bronzestatue steht heute noch in Tersk.
Russische Araber sind edel, kräftig, rahmig und mit gutem Fundament. Sie wurden viele Jahre auf Rennleistung selektiert und waren vor allem in den 1990er Jahren auf Shows extrem erfolgreich. „Russischen Gänge“ sind Synonym für kraftvolle und raumgreifende Bewegungen.
Als „Markenzeichen“ wurde in den 90-er Jahren der Begriff „straight russian“ bzw. „rein russisch“ geprägt. Er besagt, daß ein solches Pferd in jeder Linie seiner Vorfahren auf Pferde aus dem russischen Staatsgestüt Tersk zurückgeht, egal ob seine Vorfahren französisch, polnisch oder reinägyptisch waren.
Das russische Staatsgestüt Tersk wurde mittlerweile privatisiert. Ausserdem gibt es inzwischen weitere private Zuchtstätten in Russland.
Spanische Blutlinien
Die Basis für die spanische Vollblutaraberzucht wurde Ende des 19. Jahrhunderts aus Ägypten, Polen und auch Frankreich importiert. Im Bürgerkrieg gingen viele Unterlagen verloren. Die Anerkennung der spanischen Vollblutaraber war dadurch lange Zeit problematisch. Lange Jahre wurde der Export von Pferden auch durch die in Spanien herrschende Pferdepest verhindert.
Der spanische Araber ist berühmt für seine großen, schwarzen Augen. Er ist kräftig, kompakt und mit guten Reitpferdepoints ausgestattet. Manche erinnern in der äusseren Aufmachung an einen edlen PRE.
Golden Cross
Anfang der 1970er Jahren importierte Familie Merz mehrere spanische Stuten für ihr Gestüt im Schwarzwald und paarte diese mit dem Reinägypter Shaker el Masri an.
Diese Zucht war am Anfang ein großes Risiko, dauerte es doch mehrere Jahre, bis die Pedigrees der spanischen Stuten von der WAHO als Vollblutaraber anerkannt wurden. Die Nachkommen dieser Anpaarungen wurden mit dem Begriff „Golden Cross“ bezeichnet, was sich als hervorragender Marketing-Erfolg herausstellte.
Der bekannteste Vertreter dieser Zuchtrichtung war El Shaklan v. Shaker el Masri aus der Estopa. Er, seine Vollgeschwister und ihre Nachkommen haben Zuchtgeschichte geschrieben. In den 1980er Jahren waren diese Pferde auf Shows hoch erfolgreich und erzielten sensationelle Preise.
Das Gestüt wurde später geteilt, Frau Merz ging mit einigen Pferden nach Kalifornien, Herr Merz blieb im Schwarzwald. Das dortige Gestüt gibt es heute nicht mehr, aber das Gestüt Om el Arab in Kalifornien floriert bis heute und ist nach wie vor Zuchtstätte hervorragender Pferde.
Der französische (Renn-) Araber
Die Volllblutaraberzucht in Frankreich ist in erster Linie berühmt für ihre herausragenden Rennaraber. Diese Pferde werden seit Generationen ausschließlich auf Leistung selektiert, was leider in vielen Fällen zu einem erheblichen Typverlust geführt hat. Aus diesem Grund spaltet der französische Araber die Züchterwelt: die einen finden ihn auf Grund seiner Schnelligkeit auf der Rennbahn fantastisch, die anderen lehnen ihn wegen seines „nicht-arabischen“ Aussehens rigoros ab.
Araber aus Amerika
Die Amerikaner haben in den vergangenen Jahrzehnten alles importiert, was gut und teuer war und haben aus diesen Importen teilweise herausragende Pferde gezüchtet.
Es gibt weltberühmte Reinägypter (das Ansata-Gestüt hat erst vor wenigen Jahren die Zucht eingestellt) und es gibt herausragende Pferde aus gemischten Linien (auch „American Domestic“ genannt). Wenn man sich die Pedigrees dieser Pferde ansieht, findet man in der Regel schon nach ganz wenigen Generationen bedeutende Importe aus Crabbet Park, Polen, Russland, Ägypten und anderer Zuchtrichtungen.
Begünstigt durch steuerliche Regelungen wurden bis Ende der 1980er Jahre utopische Summen in der Pferdezucht der USA umgesetzt und sensationelle Decktaxen gezahlt. Profitiert davon hat damals auch die Europäische Araberzucht, die hervorragende Geschäfte mit Exporten in die USA abschließen konnte.
Weitere Linien
Nicht eingegangen bin ich hier auf weitere Zuchtgebiete wie z.B. die Schweden (dort gibt es bedeutende Pferde auf der Basis polnischer Blutlinien), die Tunesier (züchten sehr schnelle Rennaraber, die aber häufig deutlich „edler“ aussehen, als ihre französischen Konkurrenten), das Gestüt Babolna (welches schon seit Jahrhunderten existiert und neben den Shagya-Arabern auch Vollblutaraber sowohl reinägyptisch/asiler als auch nicht-asiler Blutlinien züchtet) sowie viele andere.
Herkunft eines Pferdes
Hinweise auf die Herkunft eines Pferdes bzw. dessen Vorfahren liefert das Pedigree (Equidenpass, Abstammungsnachweis) des Pferdes. Die Stutbücher der einzelnen Länder verwenden verschiedene Kürzel, die im Pedigree aufgeführt werden. Diese sind im Einzelnen (Achtung, Aufzählung unvollständig, die komplette Liste kann auf der Webseite der WAHO eingesehen werden: https://www.waho.org/list-of-registering-authority-members-2/):
GASB – Deutschland
PASB – Polen
RASB – Russland
AVS – Niederlande
BAPS – Belgien
SBFAR – Frankreich
AHSB – Großbritannien
AAS – Österreich
CAHR – Kanada
AHRA – USA
AHA – USA
SSB – Spanien
EAO – Ägypten (Egyptian Agriculture Organisation)
RAS – Ägypten (Royal Agriculture Society – der Vorgänger der EAO)
Allerdings kann das Herkunftsland immer nur ein Hinweis auf die Herkunft des Pferdes sein, aber nicht die Blutlinie sicher bestimmen.
Es gibt einige Pferde, die in mehreren Stutbüchern registriert wurden, Beispiel hier der Hengst Menes („rein russisch“): geboren in Russland, exportiert in die USA, exportiert in die Niederlande. Im Pedigree meiner Menes-Tochter steht somit unter seinem Namen: RASB, AHRA, AVS.
Anderes, besonders deutliches Beispiel: die Stute Precious Me, Mutter des Hengstes Koronec. Sie wurde in Kanada geboren (CAHR) und nach Deutschland exportiert (GASB). Ihre Eltern waren ebenfalls kanadische Pferde (CAHR). Letztendlich stammen aber alle Vorfahren der Precious Me aus Großbritannien, sie selber ist „rein Crabbet“ gezogen.
Gerüchte um fragliche Abstammungen
Wie oben bereits beschrieben gelten alle Pferde als Vollblutaraber, die in einem WAHO-anerkannten Zuchtbuch als Vollblutaraber geführt werden.
Trotzdem gibt es – in der Regel aus historischen Gründen – immer wieder Gerüchte über Ungereimtheiten in der Abstammung einzelner Pferde. Einige dieser Beispiele möchte ich hier aufführen.
Polnische Stammstuten
Wie oben bereits aufgeführt, begann der polnische Adel bereits ab ca. 1790 mit der Zucht orientalischer Pferde. Informationen über die Herkunft der verwendeten Hengste sind in der Regel gut dokumentiert. Eine Dokumentation über die Herkunft der verwendeten Stammstuten fehlt aber häufig. Da in Europa im Allgemeinen in dieser Zeit orientalische Hengste überwiegend zur Veredelung der bodenständigen Zuchten verwendet wurden, liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei diesen Stammstuten nicht um Araber (im heutigen Sinne) handelte. Nichtsdestotrotz haben die polnischen Adeligen diese Stuten als Basis für eine „reinrassige“ Zucht verwendet. Es stellt sich die Frage, warum sie dies getan haben, wenn die Stuten diesen Voraussetzungen nicht entsprochen haben sollten. Wir können heute nicht beweisen, ob es sich bei diesen Stuten um arabische Pferde handelte oder nicht. Für beide Betrachtungsweisen gibt es Indizien aber eben keine Beweise.
Dies ist der Grund, warum alle polnischen Pferde sowie alle Pferde, die einen Polen im Pedigree haben, nicht als asil gelten können. Nichtsdestotrotz sind alle polnischen Pferde selbstverständlich Vollblutaraber im Sinne der WAHO.
Die „Entdeckung“ dieser undokumentierten polnischen Stamm-Stuten durch Ursula Guttmann Ende der 1960er Jahre dürfte neben anderen Faktoren maßgeblich mit zu dem Boom der Reinägypter in Deutschland beigetragen haben.
Aktualisierung 11/2024
Aufgrund von Untersuchungen an der mtDNA durch die polnische Wissenschaftlerin Iwona Glazewska und ihr Team konnte nachgewiesen werden, dass die Stute Ukrainka (geb. um 1815, unbekannter Herkunft) dem selben Haplotypen zugehört, wie die Stute Mlecha DB (importiert 1845). Es ist also davon auszugehen, dass sie arabischer Herkunft ist.
Gleiches gilt für die Stute Szamrajówska (geb. um 1810, unbekannter Abstammung), die dem selben Haplotypen angehört wie die Stute Balkis DB (importiert 1880 nach Frankreich).
Quelle: Arabische Pferde in the Focus 1/2024
30 Maria
Die Stute 30 Maria (geboren 1842) bzw. ihre Tochter 3 Aghil Aga (von Aghil Aga DB) und deren Nachkommen wurde im ungarischen Gestüt Babolna sowohl im der Shagya-Araber- als auch in der Vollblutaraber-Zucht eingesetzt. Der langjährige Gestütsleiter von Babolna, Tamás Rombauer hat aufgrund von Indizien eine Untersuchung der Abstammung der 30 Maria veranlasst und hat Beweise gefunden, dass es sich bei der 30 Maria um ein englisches Vollblut gehandelt haben muss.
Nachkommen der 30 Maria sind vor allem im rumänischen und in südamerikanischen Stutbüchern zahlreich vorhanden.
Nachdem die WAHO die südamerikanischen Stutbücher geprüft und akzeptiert hatte, wurden die Nachkommen der 30 Maria von der WAHO als Vollblutaraber anerkannt.
Diverse Rennhengste
Die hier aufgeführten Hengste zeichnen sich durch zwei Eigenschaften aus: sie sind bedeutend schneller auf der Rennbahn als alle anderen arabischen Pferde und sie unterscheiden sich optisch deutlich von dem, was man im Allgemeinen unter arabischem Adel versteht.
Aufgrund ihrer absoluten Überlegenheit auf der Rennbahn kommt kein Züchter, der ein erfolgreiches arabisches Rennpferd züchten möchte, um den Einsatz dieser Blutlinien herum. Ohne dieses Blut im Pedigree lassen sich heutzutage keine hochkarätigen Rennen gewinnen.
Alle diese Hengste und ihre Nachkommen sind Vollblutaraber im Sinne der WAHO.
Saint Laurent – Dormane – Manganate
Der Hengst Saint Laurent (geboren 1948) und seine Nachkommen waren konkurrenzlos schnell auf der Rennbahn. Aus diesen Gründen gab es bereits früh den Verdacht, dass Saint Laurent kein Vollblutaraber sondern ein angloarbisches Vollblut gewesen sein könnte. Im Verdacht stand hier seine Mutter, die Gerüchten zu Folge falsch angegeben wurde. Bewiesen werden konnte dies nie, eine DNA-Überprüfung gab es zur damaligen Zeit nicht.
Burning Sand
Burning Sand, geboren 1986 in den USA. Er hat keinerlei mütterliche Geschwister. Ebenso wie bei Saint Laurent gibt es Gerüchte bzgl. seiner Abstammung.
Amer
Amer, geboren 1984, stammt aus Saudi-Arabien. Über seine Eltern ist nichts bekannt, sie sollen aus der Wüste stammen.
Tiwaiq
Tiwaiq ist 1982 in Saudi-Arabien geboren. Wie bei Amer ist über seine Abstammung nichts bekannt, er soll ebenfalls aus der Wüste stammen.
Aktualisierung am 30.6.2019 zu Amer:
Bedingt durch neue Forschungsmöglichkeiten an Y-Chromosomen konnte nachgewiesen werden, dass Amer in der Hengstlinie auf den englischen Vollblüter Whalebone zurück geht. Stand heute ist er somit ein bewiesener Anglo-Araber. Wie die WAHO damit umgehen wird ist unklar (siehe oben: Definition der Vollblutaraber, bzw. Vermerk zur Stute 30 Maria). Anbei ein Bild seiner Abstammung bei Allbreedpedigree vom heutigen Tag.