Körung und Hengstleistungs-Prüfung

Wir haben bei der Vollblutaraberzucht in Deutschland den Sonderfall, daß ein Hengst für den Zuchteinsatz nicht gekört werden muß. Bei allen anderen Zuchtverbänden muß ein Hengst vor dem Deckeinsatz gekört werden (und eine Hengstleistungsprüfung absolvieren).

Zur Körung werden nur ausgewählte, besonders gute Hengste zugelassen. Bei der Körung werden nicht alle vorgestellten Hengste gekört, viele fallen auch durch und werden nicht gekört.

Die Körung ist eine Exterieur-Beurteilung, bei der der Hengst im Stand, im Schritt und Trab an der Hand, im Trab und Galopp im Freilauf und im Freispringen beurteilt wird.

Nun haben wir in der Vollblutaraberzucht auch nicht-gekörte Hengste, die aber trotzdem decken dürfen und deren Fohlen auch volle Papiere bekommen. Allerdings müssen auch diese Hengste gemustert und zur Zucht eingetragen werden. Diese Musterung und Eintragung hat nichts mit der Fohlenmusterung zum Ausstellen der Papiere zu tun. Jeder Vollblutaraberhengst, der in die Zucht soll, muss als Hengst (frühestens 2-jährig) gemustert und zur Zucht eingetragen werden.

Warum ist das so?

Die WAHO (World Arab Horse Organisation) ist der übergeordnete Verband, dem weltweit die nationalen Araber-Zuchtverbände angeschlossen sind. In Deutschland ist das der VZAP (Verband der Züchter und Freunde des Arabischen Pferdes) und der ZSAA (Zuchtverband für Sportpferde Arabischer Abstammung).

Die WAHO hat nun beschlossen, daß auf Grund der Tatsache, daß es sich bei den Vollblutarabern um einen geschlossenen Genpool handelt, alle Pferde auf Wunsch des Besitzers zur Zucht zugelassen werde müssen. Somit musste die Zwangskörung 1989 abegeschafft werden und auch nicht gekörte Hengste müssen zur Zucht zugelassen werden. Dieses gilt selbst dann, wenn ein Hengst nach deutschem Tierzuchtrecht sog. zuchtausschließende Mängel hat (z.B. Klopphengst oder Gebissanomalien).

Mit dem Wegfall der Zwangskörung entfiel ebenfalls die Pflicht zur Hengstleistungsprüfung (HLP) für Vollblutaraberhengste.

Diese Regelung gilt nur für Vollblutaraberhengste in der Vollblutaraberzucht. Die Hengste aller anderen Rassegruppen (Anglo-Araber, arabisch Partbred und Shagyaraber) müssen nach wie vor gekört werden und eine Hengstleistungsprüfung (HLP) absolvieren. Auch Vollblutaraberhengste, die für die Zucht der anderen Rassegruppen eingesetzt werden sollen, müssen weiterhin gekört werden und ein HLP absolvieren.

Historie VZAP

In den Jahren 1990 bis 1994 wurden alle Hengste auf dem Hof des Besitzers eingetragen und nicht benotet. Diese Hengste sind im Hengstverteilungsplan mit der Bemerkung “Hofeintragung 199x” gekennzeichnet. Für diese Hengste können keinerlei Rückschlüsse auf die Qualität des Hengstes gezogen werden.

Da diese Lösung unbefriedigend war, wurde ab 1994 die Verbandshengstschau (VHS) als Pflichtveranstaltung eingeführt. Bei dieser Veranstaltung werden die Hengste gemessen, in Schritt und Trab auf hartem Boden an der Hand vorgestellt und abschließend in der Halle nochmal an der Hand und im Freilauf gezeigt.

In den Jahren bis 2004 wurden viele Hengste bereits nach der Hartplatzmusterung verabschiedet (“der Hengst wird auf Wunsch des Besitzers zur Zucht eingetragen und darf gehen”), seit 2005 bekommen alle Hengste die Möglichkeit, sich auch in der Halle im Freilauf zu präsentieren.

Abschließend werden die besseren Hengste mit einer Schleife ausgezeichnet: eine goldene Schleife (prämiert) bekommen Hengste, die “ganz besondern zur Zucht empfohlen” werden; eine silberne Schleifen erhalten Hengste, die “ohne Einschränkung zur Zucht empfohlen” sind; eine weisse Schleife bekommen Hengste, die “mit Einschränkungen zur Zucht empfohlen” werden. Alle Hengste ohne Schleife haben entweder keine Zuchtempfehlung oder sie haben zuchtausschließende Mängel oder sie wurden vom Besitzer nach der Hartplatzmusterung zurückgezogen (kein Interesse an einer Schleife bzw. Empfehlung).

Zusammen mit der VHS findet immer auch die Körung der Hengste der anderen Rassegruppen statt, sowie der Vollblutaraberhengste, die für die Zucht in den anderen Rassegruppen zugelassen werden sollen (Anerkennung für alle Rassegruppen). Für diese Hengste wird immer auch ein obligatorisches Freispringen durchgeführt. Gekörte Hengste müssen bis zum Ende des 6. Lebensjahres eine Hengstleistungsprüfung (HLP) absolviert haben, ausser Distanzhengste, die ihre HLP 7- und 8-jährig absolvieren müssen.

In den Jahren 2008 und 2009 gab es “regionale Hengsteintragungen”. Dort wurden Hengste gemustert und eingetragen, nicht benotet sondern anschließend für die VHS empfohlen oder eben auch nicht. Das Ziel war, nur noch die Guten zur VHS einzuladen um das Niveau der Veranstaltung zu heben und es den “Kleinzüchtern” einfacher zu machen, die sowieso nur ein oder zwei Fohlen von ihrem Hengst haben wollen. Der Versuch ist gründlich daneben gegangen, haben sich doch einige Hengstbesitzer damit zufrieden gegeben, ihre Hengste eintragen zu lassen und sind mit ihren teilweise sehr guten Hengsten gar nicht mehr zu VHS gefahren.

Zwischenzeitlich gab es zwei Veranstaltungen zur Hengsteintragung: den Haupttermin in Luhmühlen Ende Oktober und einen Nachholtermin im März in Kreuth. Ab 2013 wurde die VHS wieder einmal jährlich durchgeführt, zunächst in Aachen und seit 2015 in Alsfeld.

Historie ZSAA

Der ZSAA hat ursprünglich kein AV-Stutbuch geführt. Alle beim ZSAA vorhandenen Vollblutaraberhengste mussten gekört und somit für alle Rassegruppen anerkannt werden.

Seit ca. 2007 (mein Gefühl, eine genaue Zahl habe ich nicht gefunden) ist der ZSAA auch staatlich anerkannter Zuchtverband für Vollblutaraber und führt seither ein AV-Zuchtbuch. Somit gibt es auch bei ZSAA “nur eingetragene” Hengste um den WAHO-Kriterien zu genügen.

Die Hengsteintragung erfolgt beim ZSAA als Hofeintragung. Dort werden folgende Schleifen vergeben: eine goldene Schleife bedeutet, daß der Hengst Körqualität hat und zum zentralen Körtermin in Alsfeld vorgestellt werden sollte. Eine silberne Schleife besagt, daß der Hengst von guter Qualität ist und evtl. zu einem späteren Zeitpunkt, wenn er sich weiter entwickelt hat, gekört werden könnte. Alle Hengste ohne Schleife haben keine Zuchtempfehlung. Alle beim ZSAA gekörten Hengste müssen ebenfalls eine HLP absolvieren.

Man sollte bei Interesse daher immer nachfragen, bei welchem Verband ein Hengst seine Schleife erhalten hat, da die damit verbundene Aussage unterschiedlich ist. Grundsätzlich setzt sich der ZSAA verstärkt für den Einsatz von gekörten und leistungsgeprüften Vollblutaraberhengsten ein.

Fehler in der Werbung

Durch die Komplexität des Themas und die Unübersichtlichkeit im Laufe der Änderungen seit 1989 sowie die Unterschiede zwischen den Zuchtverbänden finden sich bei der Werbung für einzelne Hengste häufig Fehler. Oft werden die Begriffe Körung und Eintragung gleich gesetzt.

Beispiele:

Der Hengst ist gekört. Wenn man nachforscht, findet man heraus, daß der Hengst (i.d.R. mit einer schlechten Note) zur Zucht eingetragen wurde. Für eine Körung fehlt ihm die Qualität, er hat auch gar keine HLP absolviert. Ob der Hengstbesitzer selbst den Unterschied zwischen Eintragung und Körung nicht kennt oder ob er davon ausgeht, daß der Stutenbesitzer/Interessent keine Ahnung hat – darüber darf spekuliert werden.

Der Hengst war Körungssieger. Wenn man nachforscht, stellt man fest, daß der Hengst bei der VHS des VZAP prämiert wurde und zum Siegerhengst ernannt wurde. Trotzdem ist er nicht gekört und hat auch keine HLP.

Der Hengst wurde mit einer weissen (oder silbernen) Schleife prämiert. Ein Prämientitel wird beim VZAP nur an gold beschleifte Hengste verteilt. Silberne oder weisse Hengste haben kein Prämie sind somit nicht prämiert. Beim ZSAA wird der Prämientitel nur bei der Körung vergeben, ein Silber- oder Goldhengst kann somit keine Prämie haben.

Alternativen, “Tricks”

Häufig finden sich im HVP des VZAP Hengste, die bei einer VHS schlecht benotet wurden (Eintragungsnote von 4 oder 5), die dann aber zu einem späteren Zeitpunkt doch gekört bzw. anerkannt wurden (werden mussten).

Wie geht das? Der Hengst wird bei einem anderen Zuchtverband zur Körung vorgestellt. Beliebt hierfür ist zuerst einmal der ZSAA. Wenn es beim ZSAA mit der Körung auch nicht geklappt hat, dann versucht es der Hengsthalter z. B. beim Scheckzuchtverband (ECHA-ESV). Sobald der Hengst bei einem anderen Verband gekört wurde, muß der VZAP dieses Körurteil akzeptieren und den Hengst ebenfalls anerkennen, das verlangt das deutsche Tierzuchtgesetz.

Da es für die anderen arabischen Rassen unterschiedliche Zuchtbücher gibt, werden solche Hengste dann aber i.d.R. nur für “Arabisch Partbred, Typ Spezialpferd” anerkannt und die Hengste dürfen auch danach keine Fohlen der Rassen Angloaraber, Shagya-Araber oder Arabisch Partbred Typ deutsches Reitpferd produzieren.

Erstaunlicher Weise findet man dieses Vorgehen vor allem beim VZAP; ich kenne keinen Hengst, der die Körung bzw. Anerkennung beim ZSAA auf diese Weise erreicht hätte.

Und was ist diese “Rittigkeitsprüfung?

Die Rittigkeitsüberprüfung für Hengste hat die Mitgliederversammlung des VZAP als “Krücke” bzw. als Mindestanforderung für Hengste beschlossen, die keine HLP absolvieren. Diese Prüfung sollen alle eingetragenen Hengste innerhalb von 3 Jahren nach der Hengsteintragung absolvieren. Die Anforderungen dafür sind auf der Homepage des VZAP zu finden, sie enthalten Lektionen aus einer A-Dressur.

Hengste, die auf der VHS mit einer Schleife eingetragen wurden und die Rittigkeitsüberprüfung nicht innerhalb von 3 Jahren ablegen, werden eine Schleifenfarbe “zurückgestuft”, d.h. die ursprüngliche Schleife erscheint im nächsten HVP in einer Klammer.

Leider wird die Rittigkeitsprüfung von vielen Hengsthaltern nicht für notwendig erachtet, sie nehmen die “Herabstufung” in Kauf. Auch ist es leider so, daß viele Hengste schlecht vorbereitet zu dieser Prüfung antreten und ein jämmerliches Bild abgeben. Die dort erreichten Wertnoten können oft nur mit sehr viel Wohlwollen betrachtet werden. Trotzdem kommt es vor, daß Hengste die Prüfung nicht bestehen.

Aufgrund der genannten Probleme mit der Rittigkeitsprüfung hat die Mitgliederversammlung des VZAP 2017 beschlossen, diese wieder abzuschaffen.

Hengstauswahl

Das Thema “welcher Hengst für meine Stute” bekommt somit eine unendliche Komplexität. Es gibt kaum etwas, woran man sich wirklich halten kann, sind doch die Regeln und die Schwerpunkte bei den Zuchtverbänden unterschiedlich und haben sich diese Regeln in den letzten über 20 Jahren mehrfach geändert.

Immer sollte man sich den/die in Frage kommenden Hengst/e vorher persönlich ansehen, wenn möglich auch die vorhandene Nachzucht. Fotos sind leider viel zu oft “nachgebessert” und entsprechen nicht der Realität.

Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, daß alle vom VZAP mit einer Schleife versehenen Hengste eine ordentliche Qualität haben, sowie alle beim VZAP gekörten oder für alle Rassegruppen anerkannten Hengste und alle beim ZSAA gekörten Hengste.

Alle anderen Hengste sollte man sich vorher sehr, sehr genau ansehen und sich ganz genau überlegen, warum es denn nun genau dieser Hengst sein soll.

Die Aussage mancher Hengstbesitzer “die Eintragungskomission hat doch keine Ahnung” ist eine Dreistigkeit. Dort stehen fünf (5!) erfahrene Pferdeleute, die sich die Hengste drei (3!) Tage lang ansehen und sich die Beurteilung nicht leicht machen. Diesen Menschen Ahnungslosigkeit vorzuwerfen schiesst ganz gewaltig am Ziel vorbei!

Achtung:

Wer einen Vollblutaraberhengst für eine Stute einer anderen Rassegruppe oder einer anderen Rasse einsetzen möchte, sollte sich vorher vergewissern, daß der ausgewählte Hengst auch tatsächlich gekört bzw. für alle Rassegruppen anerkannt ist (siehe oben, unter “Fehler in der Werbung”). Sonst gibt es spätestens bei der Musterung des Fohlens ein böses Erwachen, wenn der stolze Fohlenbesitzer dann erfahren muß, daß das Fohlen nur ein “halbes” bzw. weisses Papier erhalten kann und keine vollen Papiere erhalten wird.